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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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auf die Uhr sah.
    Kopfschüttelnd klappte ich die Leiter zusammen und stellte sie in den Abstellraum neben dem Bad. Die Wohnung war fünfundsiebzig Quadratmeter groß, sie war brandneu und sie war gerade frisch saniert. Die Wärmedämmung entsprach dem Passivhausstandard, heißes Wasser wurde über Solarkollektoren erzeugt und der Luftaustausch erfolgte mit Wärmerückgewinnung. Und ich hatte diese Wohnung bekommen.
    Das lag natürlich daran, dass Daniel das Haus sechs Wochen zuvor bezugsfertig gekauft hatte, da der Investor auf der Zielgeraden bankrottgegangen war.
    »Gebäudesanierung ist eins der effizientesten Energiesparprogramme, die es gibt«, hatte Daniel mir erklärt. Er bot seine alte Penthousewohnung und sein Apartment in New York zum Verkauf an und suchte nach weiteren Mietshäusern, die er kaufen und energetisch sanieren wollte. Das Leben als Vollzeitaktivist war offenbar doch nicht ganz so erfüllend, wie es eine Zeit lang ausgesehen hatte. Vor allem, seit Thomas nicht mehr da war.
    Mit dem Wohnungsangebot hatte Daniel mich bestechen wollen und ich gestehe, dass er mir damit sehr entgegenkam. Ich war es leid, ihm böse zu sein. Er fehlte mir. Ich hatte gerade beschlossen, ihm großmütig zu vergeben, als er sich bei mir meldete. Nicht nur die Aussicht auf ein Leben in geordneten Verhältnissen, sondern auch die Wiederherstellung unserer Beziehung verbesserte meine Laune erheblich.
    »In meiner Wohnung entscheide allein ich«, hatte ich zur Bedingung gemacht. »Sowohl was die Ausstattung angehtals auch den Einkauf von Lebensmitteln, Putzmitteln und allen anderen Verbrauchsmaterialien.«
    »Selbstverständlich«, hatte Daniel erklärt.
    »Du bekommst keinen Schlüssel.«
    Er wurde blass, nickte aber.
    »Und wenn jemals wieder ein männliches Wesen mein Interesse weckt oder Interesse an mir zeigt, dann behältst du deine Meinung für dich.«
    »Sehr wohl, Gnädigste.«
    Wir gaben uns die Hand, gaben uns zusätzlich das große Indianerehrenwort und fielen uns dann um den Hals.
    Erst von diesem Moment der Versöhnung an fühlte ich mich wieder wirklich gut.
    Daniel hatte direkt neben mir sein neues Domizil aufgeschlagen. Er hatte das ursprünglich riesige Dachgeschossloft in zwei Wohnungen aufgeteilt, die wir nun Wand an Wand aber voneinander unabhängig bewohnten. Letzte Woche hatte die WG mit Daniels und meinem Umzug dann endlich ihr offizielles Ende gefunden. Conny hatte sich in einer anderen WG eingemietet und Mike war wegen mehrfachen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz exmatrikuliert und des Landes verwiesen worden. Mama wohnte wieder zu Hause und pendelte jeden Tag mit dem Auto in die Stadt zu ihrer neuen Arbeitsstelle in der Parfümerie, bis sie eine eigene Wohnung gefunden hatte. Daniels Angebot, eine Wohnung in seinem Haus zu bekommen, hatte sie abgelehnt mit der Begründung, nun endlich flügge werden zu wollen.
    Natürlich hatte Daniel bei der Auswahl meiner Möbel und der Vorhänge seine Meinung kundgetan, aber er hatte – unter sichtlichen Mühen – meine Entscheidungen akzeptiert und mir bei der Einrichtung geholfen. In den letztenStunden allerdings nur noch sehr unkonzentriert, weil der große Tag von Svenjas Rückkehr nun endlich gekommen war.
    »Lass uns fahren«, schlug ich vor, als alles aufgeräumt war, denn zu weiteren Aktionen war Daniel nicht zu gebrauchen. Er war mit den Gedanken sowieso schon am Flughafen.
    Wir standen nebeneinander in der Flughafenhalle und suchten unter den Passagieren nach Svenja. Sie hatte mir ihre Ankunftszeit per SMS mitgeteilt und gefragt, ob sie ihre Sachen bei mir abholen könne. Ich antwortete, dass wir sie am Flughafen erwarten würden.
    Daniel aß seit Svenjas SMS kaum noch, schlief nicht mehr und war inzwischen vollkommen durch den Wind. Ich hoffte, dass die Begegnung mit Svenja ihn heilen würde. In welcher Form auch immer.
    Und dann stand sie vor uns – und wir blickten an ihr vorbei.
    »Entschuldigung, könnten Sie vielleicht ein Stück zu Seite …«, murmelte Daniel und reckte sich, um die Leute zu sehen, die hinter der Frau in dem Businesskostüm durch die automatischen Türen in die Halle traten.
    »Daniel! Das ist ja nett, dass du mitgekommen bist. Hast du deinen Wagen vor der Tür stehen?«
    Wir starrten die Frau an.
    Fassungslos.
    Sie nahm die Sonnenbrille ab, die in der Halle sowieso nicht nötig war, und schob sie mit einer geübten Bewegung auf den Kopf. Dann blickte sie ungeduldig von Daniel zu mir und wieder zurück.

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