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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gemeinsam zu meiner Wohnungseinweihung einladen, ohne dass es Streit gibt?«
    »Mehr als Frieden«, sagte Papa und legte seine Hand auf Mamas. »Freundschaft.«
    Mauro legte seine Hand noch dazu und bekräftigte: »Freundschaft!«
    Mama nickte und warf einen eindeutig verliebten Blick zu Max Ziegler, der sie anlächelte. Na super, die alten Herrschaften machten jetzt offenbar eine WG auf Wolke sieben.
    »Gut. Das war alles.«
    »Genug gesülzt, Brüderchen«, sagte ich erleichtert und boxte Daniel auf den Arm. »Jetzt will ich endlich futtern!«
    Daniel begann seinen Job als Fundraiser praktisch sofort, sodass ich in den nächsten vier Wochen viel Zeit allein verbringen musste. Ich absolvierte Einstellungstests, Assessment Center und Vorstellungsgespräche, aber die Entscheidungen fielen entweder gegen mich oder zogen sich in die Länge. Ich schrieb weiter Bewerbungen, genoss den September und wurde Mitte Oktober endlich zu dem Vorstellungsgespräch eingeladen, an dem mir wirklich etwas lag.
    Guallatiri – das Wort war für mich immer schon gleichbedeutend mit Abenteuer gewesen, seit ich es im zarten Alter von neun Jahren zum ersten Mal von meinem Freund Federico gehört hatte. Einer der aktivsten Vulkane der Anden. Er zog mich allerdings nicht als Reiseziel an, es war nur der Klang dieses Namens, der mich begeisterte. Seit die Firma Guallatiri Outdoorkleidung herstellte, wollte ich solche Kleidung besitzen – aber da die Preise etwa so hoch waren wie der Berg selbst, hatte ich sie mir nicht leisten können. Der Großteil der Kleidung bestand aus recycelten Materialien, jedes Stück war unglaublich funktionell, sehr reparaturfreundlich und umweltverträglich. Das Unternehmen forderte die Kunden auf, nur das Nötigste zu kaufen und im Bedarfsfall reparieren zu lassen. Erst wenn gar nichts mehr zu retten war, wurden die Klamotten zurückgenommen und wieder recycelt.
    Diese Firma eröffnete nun ihre neue Europazentrale sowie einen Flagship-Store in Düsseldorf. Noch bevor das Unternehmen Jobangebote veröffentlichen konnte, hatte ich bereits eine Initiativbewerbung geschrieben und prompt eineEinladung zum Vorstellungsgespräch bekommen. Ich war wahnsinnig nervös.
    »Willkommen auf dem Guallatiri«, sagte Ken Diggers, der Mann, der mich einstellen und mein Chef werden sollte. Er war achtundvierzig Jahre alt, verheiratet, wie mir der Ehering an seiner linken Hand zeigte, und ausgesprochen unattraktiv. Sehr gut.
    »Sie haben ja einen ganz schönen Wirbel veranstaltet«, sagte er, als wir uns gegenübersaßen. Er hatte Kopien der beiden Zeitungsartikel vor sich liegen, in denen ich erst beschuldigt und dann entlastet wurde, die Kampagne meines früheren Arbeitgebers torpediert zu haben.
    Ich seufzte.
    »Wie ist es dazu gekommen?«
    Ich erzählte ihm die Geschichte ohne die romantischen Aspekte und betonte, dass ich die Daten nicht verraten hatte.
    »Hat Ihr Bruder eine Abneigung gegen Outdoorkleidung?«
    Ich schüttelte lachend den Kopf. Nachdem das Eis erst einmal gebrochen war, unterhielten wir uns über eine Stunde lang, dann kam der berühmte Satz: »Wir melden uns bei Ihnen.«
    Zwei Wochen später, am zweiten November, hatte ich meinen ersten Arbeitstag.
    Die Einarbeitung war hart und der Zeitplan ambitioniert, denn pünktlich zum Weihnachtsgeschäft sollte der Laden eröffnet werden. Trotzdem machte es mir Spaß, denn die Produkte waren ebenso zukunftsfähig wie die Unternehmensphilosophie und das Team war engagiert und sympathisch. Ich arbeitete viel und bekam kaum mit, wie der sonnige Herbst verging und die Tage kürzer wurden.
    Es war Ende November, als ich im Gewühl eines Supermarktes plötzlich ein vorsichtiges Zupfen an meinem Ärmel spürte. Ich drehte mich um und schaute einem Mädchen ins Gesicht, das mich aus dunklen Augen anstarrte.
    »Ja?«, fragte ich gehetzt. Ich wollte für Daniel und mich kochen und war schon spät dran.
    »Ich wollte mich bei dir entschuldigen.«
    Die Stimme kam mir bekannt vor, ebenso wie die Augen, aber ich hatte keine Ahnung, wo ich das Kind schon einmal gesehen hatte. Die langen, schwarzen Haare, die sie zum Zopf gebunden hatte, und die blasse Haut ließen das Mädchen jünger wirken, als es vermutlich war. Die hellblaue Jacke stand ihr gut, der Stehkragen passte hervorragend zu dem leicht asiatischen Gesicht mit den mandelförmigen Augen.
    Mandelförmige Augen?
    Ich kannte eigentlich nur ein Mädchen mit mandelförmigen Augen, aber das trug ausschließlich Schwarz, hatte

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