Möhrchenprinz - Roman
verlief weitgehend schweigend. Zu Hause nahm Daniel wie immer die Treppe. Svenja bestand auf dem Aufzug, also fuhr ich mit ihr und dem Taxifahrer, den sie für weitere fünfzig Euro als Träger verpflichtet hatte, nach oben. Ich holte ihre Sachen aus meinem Abstellraum, half dem Taxifahrer, sie in den Aufzug zu laden und verabschiedete den Mann, der sich ein Grinsen über seinen unverhofften Reichtum kaum verkneifen konnte.
Dann stand ich Svenja in meinem Wohnzimmer gegenüber.
»Nett«, sagte sie nach einem Rundumblick über das Ledersofa,das ursprünglich im Wohnzimmer meiner Eltern gestanden hatte, den Tisch, den ich mit Daniel vom Sperrmüll gerettet hatte, weil er mit seinen gedrechselten Beinen und den wackeligen Schubladen so wunderbar kitschig war, und den Schreibtisch, der aus einer ebenfalls vom Sperrmüll geretteten Altbautür bestand. Das Türblatt hatte ich abgeschliffen und neu lackiert, die Glaseinsätze mit den geätzten Eisblumen lagen nun unter passgenau eingesetzten Sicherheitsglasscheiben, sodass eine glatte Arbeitsfläche entstanden war. »Sehr kreativ«, fügte sie hinzu.
»Fliegst du direkt wieder zurück?«, fragte ich, obwohl es mich eigentlich nicht mehr interessierte.
»Nein, wir haben einige Termine in Europa. Also heute nur nach Frankfurt, mein Flug geht in zwei Stunden. Aber erst muss ich den Plunder loswerden.«
Ich bot ihr nicht an, den Plunder einer karitativen Einrichtung weiterzugeben oder wenigstens die Bücher der Bibliothek zu stiften. Ich hatte ihre Besitztümer, die für die alte Svenja einen erheblichen Wert besessen hatten, gern verwahrt. Aber wegschmeißen durfte die neue Svenja sie nun allein.
Svenja hauchte zwei Küsschen in die Luft, sagte »Leb wohl, Kleines«, und verschwand.
29
Ich ging hinüber zu Daniel. Natürlich besaßen wir trotz meiner lächerlichen Bedingung die Schlüssel zur jeweils anderen Wohnung, aber die waren nur für Urlaubsversorgung oder Notfälle gedacht. Ich musste trotzdem nicht klingeln, Daniel hatte die Tür offen gelassen.
»Sie ist weg!«, rief ich laut, als ich die Diele betrat.
»Gut«, klang es aus dem Wohnzimmer herüber.
Daniels Wohnung war anders geschnitten als meine. Das Wohnzimmer war größer, die Küche kleiner und in provisorischem Zustand. Daniel schob immer wieder Zeitmangel vor, aber ich vermutete eher, dass er sich nicht entscheiden konnte, wie er seine Wohnung einrichten wollte. Daher stand im Wohnzimmer ein alter Holztisch mit sechs Stühlen einsam und unpassend mitten im Raum, es gab einen Sitzsack, den ein Hot-Spott-Aktivist ihm geschenkt hatte, und das war es auch schon. Ich bot immer wieder meine Hilfe für Planung, Kauf oder Sperrmüllfischzüge an, aber er blieb unentschlossen.
Vielleicht hatte Daniel darauf gewartet, dass Svenja zurückkam und sie diese Wohnung gemeinsam einrichteten. Der Gedanke kam mir ganz plötzlich, als ich Daniel am Fenster stehen sah.
»Alles okay bei dir?«, fragte ich vorsichtig.
»Klar«, gab er zurück, aber seine Stimme war ohne Modulation.
»Bist du sehr enttäuscht?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Soll ich dich lieber allein lassen?«
Er schwieg einen Moment und ich betrachtete seinen Rücken, der sich kurz darauf straffte. »Ich gehe ein bisschen spazieren, aber um sechs bin ich wieder da. Ich lade dich zum Essen ein. Mach dich fein, wenn du magst, es geht in ein richtig angesagtes Restaurant.«
Drei Stunden später betraten Daniel und ich das »eat meat«. Meine Überraschung wurde noch größer als ich sah, dass Daniel einen Tisch für sechs Personen reserviert hatte. Vier Menschen saßen bereits da, und ihre Haltung zeigte, wie unwohl sie sich miteinander fühlten. Es waren Papa und Mauro sowie Mama und ein Mann, den ich nicht kannte.
»Wie hast du die vier so spontan an einen Tisch bekommen?«, flüsterte ich Daniel zu.
»Ich habe angekündigt, dass ich ihnen etwas Wichtiges sagen muss.«
Mir wurde flau. Daniel würde doch jetzt nicht wieder in sein altes Leben zurückkehren? Mit dem Besitz oder den Schulden fremder Menschen, Unternehmen oder gar Staaten rücksichtslos zur eigenen Gewinnmaximierung spekulieren, Reichtümer erst anhäufen, dann mit vollen Händen ausgeben und wieder der oberflächliche Egoist werden, der er früher war?
Ich begrüßte meine Eltern und Mauro und streckte dem Unbekannten die Hand hin.
»Max Ziegler, sehr erfreut«, stellte er sich vor.
Ich erinnerte mich an den Namen. Meine Mutter hatte ihn anlässlich unserer Shoppingtour für
Weitere Kostenlose Bücher