Möhrchenprinz - Roman
intensiv an, dass ich verunsichert an mir heruntersah. Hatte ich auf dem Weg hierher einen Taubenschiss auf den Pullover bekommen? Ich konnte keinen Fleck erkennen.
Philip räusperte sich. »Du siehst toll aus«, sagte er mit ehrlichem Erstaunen in der Stimme. »Braun gebrannt, schlanker als ich dich in Erinnerung habe … Wahnsinn.«
Braun gebrannt ist bei einer Rothaarigen mit Sommersprossen natürlich gelogen, aber tatsächlich hatte ich Farbe. Zehn Wochen war ich fast nur draußen gewesen, war neben der Gartenarbeit viel Fahrrad gefahren und an Tagen mit schlechterem Wetter gejoggt. Ich hatte überwiegend das selbst angebaute Obst und Gemüse gegessen und dadurch reinere, straffere Haut bekommen. Ja, ich sah pumperlgesund aus. Dazu betonte die Hochsteckfrisur, die ich wegen der Wärme gewählt hatte, meinen langen Hals, der als einziges Körperteil immer schon ganz nach meinem Geschmack gewesen war.
»Danke«, sagte ich und gab das Kompliment absichtlichnicht zurück, obwohl es natürlich angebracht gewesen wäre. Philip sah immer aus, als wäre er gerade einem Mode- oder Sportmagazin entstiegen, so also auch jetzt. Nur die leichten Schatten unter den Augen sah ich zum ersten Mal.
»Sollen wir erst bestellen?«, fragte er.
»Gern.«
Ich nahm den Seeteufel auf Spinat mit Bandnudeln, Philip das Saltimbocca. Er bestellte eine Flasche Weißwein und Wasser, dann noch Bruschetta vorneweg, und endlich war der Ober verschwunden und Philip wandte sich mir zu.
»Ich möchte dich wieder einstellen.«
Ich verschluckte mich an dem Wasser, von dem ich gerade genippt hatte, und prustete eine kleine Fontäne über den Tisch. Philip wich zurück, sagte aber nichts.
»Ich habe eine neue PR-Managerin eingestellt, gleich nach deinem, äh, Weggang. Sie gibt sich Mühe, aber sie ist weder kreativ noch besonders engagiert. Wir haben immer noch keine neue Kampagne und so langsam aber sicher wird mein Vater ungeduldig.«
Ich beschäftigte mich mit meiner Serviette, rieb die Weingläser, die ich bespuckt hatte, trocken, polierte das Besteck und legte die Serviette auf den feuchten Fleck in meinem Schoß, der auf der hellen Leinenhose auffiel wie eine reife Tomate in der Badewanne.
»Ich kann dir eine Gehaltserhöhung anbieten oder einen Firmenwagen, ganz wie es dir lieber ist.«
»Wie viel?«, fragte ich.
»Fünfzehn Prozent.«
Ich spielte mit meinem Wasserglas und wartete darauf, dass Philip weitersprach, aber er schwieg und sah mich erwartungsvoll lächelnd an.
»Ich denke darüber nach«, sagte ich. »Erzähl mir, wie es dir ergangen ist.«
Während wir mit den Bruschettas beschäftigt waren, beklagte sich Philip über meine Nachfolgerin, dann sprach er über sich. Er hatte ein wichtiges Segelrennen absagen müssen wegen »der Sache«, was ihn natürlich wurmte. Dann war er beim Polo vom Pferd gefallen und hatte sich zwei Rippen geprellt, die immer noch schmerzten. In der Firma liefen die Geschäfte schleppend, auch wenn man mit dem ›eat meat‹ inzwischen einen guten Kunden gefunden hatte. Die Fernsehköche benahmen sich weiterhin wie Diven und Siebendt senior hatte das Budget für das Projekt gekürzt, sodass man die Herren nun nicht wie geplant in den besten Lodges Afrikas kochen lassen konnte.
Die Hauptgerichte wurden serviert und wir aßen schweigend. Der Seeteufel war hervorragend, der Spinat frisch und die Bandnudeln selbst gemacht. Nach der Gemüsediät der letzten Wochen ließ ich mir diesen Luxus schmecken. Ich trank zwei Gläser Wein, nahm auf Philips Anregung auch noch ein Tiramisù und hätte stöhnen können, so gut war es. Meine Beteiligung an der Unterhaltung beschränkte sich auf gelegentliche Aufmerksamkeitsgeräusche oder seltene Nachfragen, ansonsten konzentrierte ich mich vornehmlich auf das Essen.
Damit war es beim Espresso dann leider vorbei.
»Was sagst du zu meinem Angebot?«, fragte Philip, als wir die kleinen Tässchen vor uns stehen hatten.
Aha, die Stunde der Wahrheit war gekommen. Noch vor anderthalb Stunden hatte ich befürchtet, mich zu verhaspeln, wenn es so weit wäre, aber jetzt war diese Sorge völlig unnötig. Ich war angenehm gesättigt und vom Wein leicht beschwingt und ich wusste, was ich wollte. Und ich wusste, dass ich recht hatte. Und deshalb war ich vollkommen ruhig, als ich Philip fest in die Augen sah.
»Nein, danke.«
Das siegesgewisse Lächeln auf seinen Lippen verschwand.Er runzelte die Stirn. »Hast du schon eine andere Stelle?«
»Nein.«
Jetzt starrte er mich
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