Möhrchenprinz - Roman
ihr neues Business-Outfit erwähnt und seitdem mehrmals wieder. Er war der Bruder einer ihrer ehemaligen Kolleginnen, der eine leitende Funktion in der Parfümeriekette innehatte, bei der Mama nun arbeitete. Ziegler war allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in seiner Eigenschaft als Mamas Chef hier. Hatte sie ihn nicht früher schon ein bisschen angehimmelt? Oder war er nur ein guter Freund, der ihr in dieser Runde beistand, damit sie nicht das fünfte Rad am Wagen war? Mir schwirrte der Kopf, aber ich drückte seine große Hand und murmelte einen freundlichen Gruß.
Daniel machte es spannend. Er ließ erst sechs Gläser Prosecco kommen, dann griff er nach der Speisekarte. Ich tat es ihm gleich, die Generation über uns hatte offenbar schon gewählt. Daniel bestellte eine gebackene Süßkartoffel und den gemischten Beilagensalat. Ich atmete auf. Immerhin warf er nicht gleich seine ganzen Überzeugungen über Bord und bestellte die große Grillplatte mit Känguru, Krokodil, Strauß und Antilope. Vielleicht war, was immer er uns zu sagen hatte, also doch kein Rückfall in die ganz schlimmen Zeiten.
»Leo. Was willst du essen?«
Ich hatte keinen Appetit auf irgendetwas, das aus Afrika kam, und bestellte australische Schlange am Spieß.
»Eine hervorragende Wahl«, lobte Mauro mich.
Er war von der alten Riege der Lockerste.
»Ich war ein Idiot und möchte mich bei euch allen entschuldigen«, begann Daniel, nachdem er seinen Prosecco getestet und für gut befunden hatte.
Wir lauschten atemlos.
»Ich habe das von euch verlangt, was ich selbst für richtig hielt. Damit habe ich euch mehr als einmal das Leben schwer gemacht, besonders dir, Leo.«
Ich nickte. »Stimmt.«
»Es tut mir leid. Ich habe mich bei dir entschuldigt, Leo, und du hast mir dankenswerterweise verziehen, aber ich möchte mich noch einmal in aller Form bei euch allen entschuldigen.«
Wir nickten und prosteten Daniel zu, wenn auch Mauro ihm neckisch mit dem Finger drohte und murmelte: »Hauptsache, es kommt nicht wieder vor.«
Wirklich böse war Mauro meinem Bruder allerdings nicht, denn die Aktion mit dem Holzlaster vor dem »eat meat« war tatsächlich die beste Werbung, die das Lokal sich wünschen konnte. Vom ersten Tag der offiziellen Neueröffnung an war kein Platz im Restaurant mehr freigeblieben.
»Ich habe festgestellt, dass das Leben als Aktivist lustig und aufregend ist, aber das ist sicher nicht auf Dauer so. Deshalb habe ich seit einiger Zeit vorsichtig die Fühler ausgestreckt nach einer Beschäftigung, die mich reizen könnte.«
Meine Mutter klatschte vor Glück in die Hände. »Das ist gut, Daniel. Das war ja kein Zustand, ein Mann in deinem Alter …«
Ich verbiss mir ein Grinsen. Papa nickte zufrieden. Max Ziegler und Mauro tauschten einen schnellen Blick, der auf Zieglers Seite eher unsicher, auf Mauros Seite eindeutig spöttisch war. Ziegler entspannte sich sichtlich.
»Und heute habe ich einige Entscheidungen getroffen.«
Ich hatte also recht gehabt mit meiner Vermutung, dass er sich zunächst wegen Svenja alle Optionen offenhalten wollte. Da sie in seinem Leben nun keine Rolle mehr spielte, hatte er, wie es seine Art war, nicht länger gezögert sondern prompt reagiert.
»Ich habe ein Angebot, als Fundraiser für eine internationale Umweltschutzorganisation zu arbeiten, und das werde ich nun annehmen. Ich kann hier in Düsseldorf wohnen bleiben und werde auch nicht allzu häufig unterwegs sein, denn Reisen, besonders Flugreisen, schädigen die Atmosphäre immer, egal welchem Zweck sie dienen.«
Das sollte er mal den ganzen Klimarettern erklären, die auf dem Weg von einer Rio- oder Kyoto-Folgekonferenz zur nächsten zwischendurch noch schnell in der Arktis vorbeischauten, um zu sehen, wie schlecht es den armen Eisbären ging, dachte ich, hielt aber meinen Mund.
»Ich werde weiterhin vegetarisch, wenn möglich sogar vegan leben und würde mich freuen, wenn es im ›eat meat‹ mehr vegetarische oder vegane Gerichte gäbe, aber ich erwarte von niemandem, dass er sich so ernährt wie ich.«
Ziegler entspannte sich weiter, mein Vater und Mauro warfen sich einen verliebten Blick zu und meine Mutter zuckte mit den Schultern. An ihr waren seine entsprechenden Bemühungen sowieso abgeperlt.
»Was mir außerdem auf der Seele liegt, ist unsere familiäre Situation.«
Mama und Papa tauschten einen verlegenen Blick.
»Herrscht zwischen euch beiden jetzt Frieden?«, fragte Daniel. »Kann ich euch
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