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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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bisher nur in Jeans und T-Shirt kannte. Heute hingegen hatte ich mich besonders sorgfältig gekleidet und die Haare hochgesteckt, um das größtmögliche Maß an Professionalität und Glaubwürdigkeit auszustrahlen. Mein Kostüm und die High Heels, die PS mit keinem Blick gewürdigt hatte, schienen Thomas zu beeindrucken, wenn ich das langsame Auf- und Abwandern seiner Augen richtig interpretierte. Ich wurde rot.
    Er hatte sich während der Inspektion erhoben und schenkte mir ein schiefes Lächeln.
    »Hi, Leo.«
    Ich war ihm genauso böse wie Daniel, daher nickte ich ihm nur zu und ging weiter Richtung Straßenbahnhaltestelle.
    »Es tut mir leid, Leo. Ich wusste nicht, dass du bei Siebendt arbeitest.«
    Er schlenderte neben mir her, die Hände in die Hosentaschen vergraben. Keine Ahnung, wie er es schaffte, völlig entspannt und lässig mit mir mitzuhalten, während ich mit energischen Schritten auf knallenden Absätzen versuchte, ihm zu entkommen.
    »Na und wenn? Hättest du dann nicht mitgemacht?«, fragte ich. Mein Tonfall war zickig und ich erwartete keine Antwort.
    »Nein, hätte ich nicht.«
    Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um, ein spöttisches Grinsen im Gesicht. »Schwachsinn!«
    Er schüttelte den Kopf. »Absolut nicht. Ich hätte Daniel dazu gebracht, dass er seine Demo vor einem anderen Stand macht.«
    Ich lachte bitter. »Niemand bringt Daniel von einer seiner Ideen ab. Das wirst du schon noch feststellen.«
    Thomas ließ ein Grinsen sehen, das schon deutlich weniger zerknirscht und deutlich mehr verschmitzt daherkam. »Ich nehme die Herausforderung an.«
    Ich musste gegen meinen Willen lächeln.
    »Wenn du das schaffst, dann …«
    »Ja? Was ist der Wetteinsatz?« Er blickte mich erwartungsvoll an.
    »Dann koche ich dir die besten Nudeln, die du je gegessen hast.«
    Die Antwort verblüffte ihn sichtlich, dann brach er in lautes Gelächter aus. »Der Deal gilt.«
    Wir gaben uns feierlich die Hände.
    »Komm, ich lade dich auf ein Eis ein.«
    »Ich will kein Eis«, sagte ich schnippisch.
    Thomas blickte enttäuscht.
    »Ich will Nudeln.«
    Er griff nach meinem Arm. »Spaghetti-Eis?«
    »Höchstens als Nachtisch.«
    Ich ließ es zu, dass er meine Jacke trug und folgte ihm in die Straßenbahn und zu einem kleinen italienischen Restaurant, das in einer offenen Küche aus hausgemachten, frischen Nudeln hervorragende Spaghetti all’arrabiata machte.
    Während des Essens redeten wir nicht viel, aber vorher und nachher fragte Thomas mich regelrecht aus.
    »Wie stehst du zu dem plötzlichen Engagement deines Bruders?«
    »Warum bist du selbst offenbar von klein auf umweltbewusst gewesen, während dein Bruder sich nur für Geld interessierte?«
    »Wenn du jetzt nicht Vollzeit arbeiten müsstest, würdest du dann bei diesen Aktionen mitmachen?«
    »Hast du Gewissensbisse bei deiner Arbeit für einen Fleischhandel?«
    Viele Fragen konnte ich nicht beantworten, die letzte allerdings schon.
    »Nein«, sagte ich, heftiger als vielleicht nötig. »Habe ich nicht. Warum auch? Wenn die Leute Fleisch essen wollen, werden sie das tun, egal ob ich oder jemand anders bei Siebendt arbeitet. Aber die Firma ist ein toller Arbeitgeber, sehr sozial eingestellt, die kümmern sich noch um ihre Mitarbeiter und ich bin als Berufsanfängerin froh, einen unbefristeten Vertrag mit einem vernünftigen Gehalt ergattert zu haben. Das ist alles andere als selbstverständlich.«
    Thomas hob die Hände, um mich zu beschwichtigen. »Hey, ich finde das völlig in Ordnung, ich wollte dich nicht anklagen. Und ich würde dich nicht bei deinem Bruder verpetzen, wenn du mir jetzt gestehen würdest, dass du insgeheim doch ein schlechtes Gewissen …«
    Ich warf meine Serviette nach ihm, musste aber genauwie er grinsen. Sein Interesse hatte mir geschmeichelt. Wann hatte zuletzt jemand so genau wissen wollen, was ich dachte, wie ich zu den wichtigen Fragen des Lebens stand oder warum ich dieses oder jenes tat oder nicht tat? Ich konnte mich kaum daran erinnern.
    »Danke für den schönen Abend«, sagte Thomas, als wir uns an der Straßenbahnhaltestelle vor dem Restaurant verabschiedeten. Ich wollte endlich unter die Dusche und hatte sein Angebot, mich noch nach Hause zu bringen, abgelehnt. Müde, wie ich war, wäre ich keine interessante Gesprächspartnerin mehr gewesen. Ich freute mich darauf, in der Bahn den Kopf gegen das Fenster zu lehnen und zwanzig Minuten zu dösen.
    »Danke für die Nudeln«, entgegnete ich.
    »Das Eis holen wir dann mal

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