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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Elite-Uni. Er trug einen Trauring und einen Siegelring, eine protzige Uhr, goldene Manschettenknöpfe und er war sehr schlecht gelaunt. Der Anwalt hingegen wirkte im schwarzen Dreiteiler wie eine Mischung aus Beerdigungsunternehmer und Pfarrer und war mindestens einen ganzen Kopf kleiner als Siebendt. Sein kahler Schädel glänzte. Obwohl ich Menschen, deren Leidenschaft den juristischen Paragraphen galt, immer mit einer gewissen Fassungslosigkeit betrachtete, war er mir nicht unsympathisch.
    »Was schlägst du vor?«, fragte PS.
    Ich setzte mich auf den mir zugewiesenen Platz, schaute die Herren der Reihe nach an und versuchte, durch ruhiges Ein- und Ausatmen meinen fliegenden Puls zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Zunächst ist festzustellen, dass wir keine typische PR-Krise haben. Die würde vorliegen, wenn das Unternehmen selbst etwas falsch gemacht hätte. Die schlimmste Reaktion in solch einem Fall wäre entweder gar keine Reaktion oder ein Dementi, das dann später widerrufen werden müsste.«
    »Aber wir haben ja nun einmal nichts falsch gemacht!«, bollerte Siebendt.
    Ich räusperte mich. »Es ist sehr wichtig, dass wir uns darüber ganz sicher sind. Es gab nie eine Beanstandung des Amtes für Verbraucherschutz über die Hygiene an dem Marktstand oder an irgendeiner anderen Stelle des Unternehmens …?«
    Ich konnte förmlich zusehen, wie Siebendts Blutdruck stieg, aber der Anwalt schüttelte den Kopf und sagte schnell: »Nein, definitiv nicht. Da können wir uns ganz beruhigt zurücklehnen.«
    »Danke.«
    Der Anwalt nickte, die beiden Siebendts blickten mich einfach nur ausdruckslos an. Mir wurde heiß. Dann konzentrierte ich mich auf meine Idee mit dem Bekennerschreiben. Leider hatte ich noch keine Zeit gehabt, aus dem Gedankenspiel eine Strategie zu entwickeln, aber trotzdem hätte ich fast gelächelt, so groß war die Erleichterung über den Ausweg, der sich hier auftat, und dessen Ausführung in meinem Hirn langsam Gestalt annahm.
    »In Bezug auf die Demonstration von letztem Samstag ist die Siebendt GmbH das Opfer eines Zwischenfalls, nicht der Täter. Uns wurde ein Unrecht angetan und zwar ohne ein Verschulden unsererseits, das Anlass zu dieser Aktiongegeben hätte. Jetzt geht es darum, dass wir die Deutungshoheit darüber bekommen, welches Unrecht uns angetan wurde, von wem und warum. War es eine Demonstration gegen Fleisch im Allgemeinen? Gegen die Firma Siebendt im Speziellen? Oder …«, wieder musste ich mich räuspern, »war es nur die ziemlich schräge Vorstellung eines Improvisationstheaters?«
    Siebendt senior runzelte ärgerlich die Stirn. »Sie sollten diese Dinge nicht verharmlosen, junge Frau.«
    »Doch«, sagte der Anwalt. »Genau das ist eine gute Idee.«
    Mir fiel ein Stein vom Herzen.
    »Aber …«, brummte der alte Siebendt.
    »Lass sie erklären, wie sie sich das vorstellt, Maximilian.« Der Anwalt nickte mir zu.
    Ich holte Luft und hoffte, dass meine Stimme nicht zitterte. »Wenn wir auf eine Provokation inhaltlich reagieren, wird das Thema auf diese Weise immer weiter durchgekaut. Nehmen wir an, wir würden die Aktion als Kritik am Fleischkonsum generell verstehen, dann würden wir in unserer Stellungnahme auf die gesundheitlichen Vorteile von mäßigem Fleischkonsum hinweisen und klarstellen, wie schwer es zum Beispiel Vegetarier haben, sich ausgewogen zu ernähren. Das führt zu einer Gegenargumentation der Vegetarier, die wir wieder aufgreifen, und so weiter. Auf diese Weise wird ein sehr kontroverses, allgemein-gesellschaftliches Thema mit dem Namen Siebendt verbunden. Damit ziehen wir die Ablehnung einer wachsenden Gruppe Menschen gegen übermäßigen Fleischkonsum auf uns. Das ist wie damals mit der Ölbohrplattform, die ein großer Konzern versenken wollte. Greenpeace hat eine Kampagne gegen diesen Ölkonzern gestartet und Millionen Autofahrer haben bei der Konkurrenz getankt, obwohl die ganz genau dieselben Umweltschweinereien machten wie ihreKollegen. Noch heute ist der Firmenname mit diesem PR-Desaster verbunden.«
    Der Anwalt nickte heftig, PS schaute inzwischen deutlich interessiert und der Seniorchef schüttelte wenigstens nicht mehr den Kopf, sah aber immer noch düster drein. Ich war überrascht über so viel Verständnis in Sachen Öffentlichkeitsarbeit bei dem Paragraphenreiter, genervt von der Ablehnung des Seniors und sauer auf PS, der mir in keiner Weise Unterstützung zukommen ließ. Aber ich beherrschte meine Gefühle und konzentrierte mich

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