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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kindergartenduell daraus, stellte sich in Positur, zog mit verbissenem Gesichtsausdruck, ließ wieder etwas locker und zog wieder, wenn ich dachte, dass ich gewonnen hatte. Ich musste lachen und er überließ mir den Teigschaber mit einer Verbeugung. Mit schnellem Griff rettete ich außerdem das Nudelsieb, die Topflappen aus Silikon und den Pürierstab.
    »Wir sind so schlau, dass wir uns vom dummen Konsumismus emanzipiert haben und die Dinge tun, von denen wir wissen, dass sie richtig sind. Andere Leute sind noch nicht so weit. Die wollen weiterhin Rührschüsseln aus Plastik haben. Sollen sie bekommen – aber wenigstens keine neuen mehr. Wenn du deine alte Schüssel an solche Unverbesserlichen abgibst, muss keine neue produziert werden.«
    »Bietest du in deinem Trödelmarkt auch Hochzeitslisten an?«, fragte ich spöttisch.
    »Als Nächstes gehen wir die Klamotten durch«, verkündete Daniel, während er den Karton, in dem meine Schüsseln verschwunden waren, zuklebte.
    Ich drehte mich um und sprintete zur Garderobe. Meine brandneue Outdoorjacke mit einzippbarem Fleece würde er nicht bekommen. Und wenn ich sie mit meinem Leben verteidigen müsste.
    »Wir haben einen Termin auf dem Carlsplatz. Das Fernsehen will einen kurzen Bericht drehen.«
    Toll, ich darf im Fernsehen lügen, dachte ich, sprach es aber natürlich nicht aus. PS war guter Dinge, er hatte mich gelobt und dabei seine Hand auf meine Schulter gelegt. Ein tiefer Blick in meine Augen begleitete seine freundlichen Worte und sorgte bei mir für akute Atemnot.
    Es schien tatsächlich, als ob unsere Strategie gegen die Aktion vom vergangenen Samstag aufging, denn ebenso wie die Radiosender bereits am Montagabend auf unsere Meldung angesprungen waren, hatten die meisten Zeitungen am Dienstag und einige Nachzügler am heutigen Mittwoch unser Statement widerspruchslos abgedruckt.
    »Ist es denn überhaupt sinnvoll, das Thema noch zu verlängern?«, fragte ich vorsichtig.
    »Ins Fernsehen zu kommen ist eine riesige Chance. Beste Sendezeit. Das Thema dient ja nur als Aufhänger.«
    Er ließ es sich nicht ausreden und so fuhren wir kurz vor Mittag los. Die Verkäuferin am Marktstand war eine andere als vergangenen Samstag.
    »Frau Badena hat sich krankgemeldet«, erklärte die füllige Mittfünfzigerin in der weißen Schürze auf Nachfrage. »Wegen Trauma.«
    »Davon sagen Sie nichts, wenn man Sie fragt«, erklärte PS in derart schneidendem Tonfall, dass die Verkäuferin den Kopf zwischen die Schultern zog. »Am besten sagenSie sowieso nichts. Frau Tutz wird die Einzige sein, die mit den Fernsehleuten spricht.«
    Da PS sich immer noch die Option des allumfassenden Dementis erhalten wollte, entfernte er sich vom Stand, bevor das Fernsehteam eintraf. Ich war mir allerdings sicher, dass er irgendwo einen Platz gefunden hatte, von dem er uns, genauer gesagt mich, beobachten konnte.
    Die Frau, die den Beitrag verantwortete, kommandierte ihren Kameramann und die Tontechnikerin herum – und mich. Stellen Sie sich da oder dort hin, nein, nicht so, sondern ein bisschen lässiger. Moment, Schritt zur Seite, Sie verdecken dieses Schild hier. Gut so, jetzt ganz entspannt.
    Wie soll man bei so etwas entspannt sein, dachte ich, wenn man dazu noch weiß, dass der Chef irgendwo auf der Lauer liegt und jede Geste und jedes Wort hört und sieht und bewertet? Ich jedenfalls war völlig unentspannt. Und das steigerte sich dramatisch, als ich jemanden in der sich bildenden Zuschauertraube erblickte, der dort überhaupt nicht hingehörte: Papa.
    Es ist erwiesen, dass man bestimmte Personen in einer Menschenmenge erkennt, selbst wenn man ihr Gesicht nicht sieht. Kleidung, Größe, Körperhaltung und Bewegungen reichen üblicherweise, um ein Wiedererkennen auszulösen. In diesem Fall hätte ich keine Chance gehabt, wenn ich nicht sein Gesicht entdeckt hätte.
    Nicht nur, dass mein Vater seine dunklen Hosen und gedecktfarbigen Hemden gegen ein tief violettes Leinenhemd und eine weiße Leinenhose getauscht hatte, er war außerdem gebräunt und ohne Brille. Sein nervöses Augenplinkern verriet mir, dass er wieder mit Kontaktlinsen herumdokterte. Diese Phasen hatte er bereits mehrfach gehabt, die Linsen aber nie vertragen. Hätte uns das zu denken geben sollen?Aber wer kommt schon auf die Idee, der Vater sei schwul, nur weil er gern Kontaktlinsen statt Brille tragen würde.
    Auch seine Haltung war anders als sonst. Gerader, aufrechter, dynamischer. Papa schaute mich genauso überrascht

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