Möhrchenprinz - Roman
abgeräumt war.
»Du bist ein blendender Erzähler.«
Er nickte geschmeichelt. »Lass uns ein bisschen frische Luft schnappen.«
Wir saßen natürlich sowieso an der frischen Luft, da die Häuser der Lodge keine Wände hatten, aber nun traten wir unter dem Dach hervor auf die hintere Veranda. Der Himmel erstrahlte in einem Meer aus blitzenden Sternen, die Luft war erfüllt vom aufdringlichen Duft einer nachts blühenden Pflanze und einige Tiere riefen oder heulten oder keckerten.
Es war märchenhaft.
Und dann legte Philip seinen Arm um meine Schultern, drehte mich zu sich und küsste mich.
Ich zierte mich nicht, küsste ihn wieder und war ganz und gar nicht davon angetan, als er sich von mir löste.
»Wir sollten lieber …«
Oh nein, nicht vernünftig sein!
»… reingehen.«
Wir gingen zu mir. Ich schob noch schnell ein verschwitztes T-Shirt mit dem Fuß unters Bett, dann konzentrierte ich mich ganz auf Philip.
Er war ein wahrhaft fantasievoller Liebhaber, der mir zeigte, dass auch Fußsohlen erogene Zonen haben. Und er knetete nicht. Weder meine kräftigen Hüften noch meine Brüste. Wenn er ein Kneter gewesen wäre, hätte ich den Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft sofort aufgegeben, denn ich hatte es nie gemocht, mich wie Teig unter den Händen eines Pizzabäckers zu fühlen. Unter Philips jedenfalls war ich ganz Frau.
Philip kitzelte und piekte nicht, er kniff nicht und er rammelte nicht. Er machte Liebe. Zum ersten Mal verstand ich, was diese Formulierung bedeutete. Er war leidenschaftlich und zärtlich, aufmerksam und interessiert, erregt und erregend. Ich überließ mich seiner Führung und fühlte mich wie im siebten Himmel. Nie im Leben hätte ich mir vorher vorstellen können, wie wunderbar es war, wie vollkommen ich mich fühlte.
Als ich noch vor Morgengrauen erwachte, war ich allein. Ich war enttäuscht und verunsichert. Hatte Philip einfach nur Sex haben wollen? So hatte er nicht gewirkt. Aber vielleicht war er nur aufmerksam, fantasievoll und zärtlich, bis er hatte, was er wollte, und dann – zack weg. Aber nein, auch das konnte ich mir nicht vorstellen. Vielleicht hatte ich geschnarcht und ihn dadurch vertrieben. Die Gedanken raubten mir die Ruhe und so stand ich auf, anstatt mich mit einem Kopf voller Zweifel weiter hin und her zu wälzen.
Ich duschte ausgiebig, zog meine Safarihose und ein grünes T-Shirt an und machte mich auf den Weg zum Frühstück. Philip saß an dem Tisch, an dem wir auch am Abend vorher gegessen hatten. Vor ihm stand ein Teller, auf dem sich nur noch Reste von Rührei und Speck befanden, die er gerade auf ein Stückchen Toastbrot schaufelte. Als er mich sah, erstrahlte ein Lächeln auf seinem Gesicht.
»Ich hatte so einen Hunger, wollte dich aber nicht wecken, also bin ich schon mal vorgegangen. Ich hoffe, das stört dich nicht.«
Ich lachte, während mein Magen ein lautes Knurren von sich gab. »Mir geht es genauso.«
Der Kellner kam und brachte Kaffee, Tee, Saft (nicht für mich) und Champagner, für den ich mir aber erst eine Unterlage am Buffet beschaffte. Dann stieß ich mit Philip an.
»Auf uns«, sagte ich mit klopfendem Herzen. An seiner Reaktion würde ich ja sehen, wie er heute Morgen dazu stand.
»Auf uns«, wiederholte er lächelnd.
Ich war selig.
Das Gefühl hielt den ganzen Tag an, immer wieder angefacht von kleinen Zärtlichkeiten. Das erste Mal erwischte er mich kalt, als er sanft mit dem Zeigefinger über meinen Nacken strich. Ich hatte nicht bemerkt, dass er neben mich getreten war, war ganz in die Beobachtung einer Herde Zebras versunken gewesen und wollte die Fliege, die mir da im Nacken herumkroch, mit einem kräftigen Klaps verscheuchen. Wir erschraken beide, prusteten los, versuchten aber gleich wieder still zu sein, um die Tiere nicht zu verscheuchen. Je mehr wir aber versuchten, uns zu beruhigen, desto weniger gelang es. Irgendwann hatte ich ein Einsehen, wandte mich ab und ging mit zuckenden Schultern zum Auto. Dort konnte ich endlich lachen, bis ich nach Luft japste.
Normalerweise war ich nicht so albern.
Normalerweise hatte ich aber auch kein Verhältnis mit meinem Chef.
Normalerweise, und das konnte ich nun, da die Einsamkeit vorbei war, endlich einmal zugeben, hatte ich überhaupt kein Verhältnis.
Vielleicht war das hier sogar mehr als ein Verhältnis. Von meiner Seite aus war es das auf jeden Fall. Philip war die Liebe meines Lebens, da war ich mir sicher. Und diese Liebe wurde erwidert. Ich konnte spüren, wie
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