Möhrchenprinz - Roman
auffordernd an. Sein Vater und der Anwalt, der mir vor nicht allzu langer Zeit noch sehr wohlgesonnen war, saßen mit abweisenden Gesichtern am Tisch. Schweigend warteten alle drei, dass ich etwas sagte.
Das Problem war: Ich wusste nicht, was ich hätte sagen sollen. Dass die Gegenkampagne gut gemacht war, würden die drei nicht hören wollen. Und einen klugen Vorschlag, was wir nun tun könnten, um den Schaden zu begrenzen, hatte ich so spontan auch nicht auf Lager. Ich sah Philip stumm an, fand aber in seinem Blick keine Unterstützung.
»Das Motiv der Gegenkampagne ist genau auf der folgenden Seite erschienen.«
Die Stimme des Anwalts klang neutral, sachlich, kühl. Wenigstens nicht vorwurfsvoll.
»Wie erklären Sie sich das?«
Die Frage haute mich um, ich schnappte nach Luft. Der Vorwurf lag nicht in der Stimme, sondern ganz unverblümt in dieser Frage.
Als ob ich etwas damit zu tun hätte!
»Bisher gar nicht«, stammelte ich. »Dazu fehlen mir noch ein paar Informationen.«
»Zum Beispiel?« Eiskalte Stimme, Siebendt senior.
Ich musste mich sammeln, meinen Schock überwinden, um nicht wie ein totaler Trottel dazustehen.
Erst einmal die Situation einschätzen.
Ich stand hier unter Anklage.
Philip war nicht auf meiner Seite.
Ich überlegte fieberhaft. Unsere Anzeige war die erste in einer ganzen Reihe, sie war in der heutigen Ausgabe desNachrichtenmagazins erschienen. Ich hatte den Anzeigenplatz bereits vor Wochen gebucht, um passend zur heißen Phase der Grillsaison die gehobene Alternative zu Grillwurst und Bauchfleisch anzupreisen. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie kurzfristig jemand, der uns schaden wollte, seine ganze Seite direkt im Anschluss an unsere Seite noch hätte buchen können. Schon allein von dieser Frage hing ab, in welcher Richtung wir nach dem Übeltäter suchen müssten.
Die Suche nach dem Übeltäter wäre natürlich nur dann von Interesse, wenn es überraschenderweise nicht der wäre, den ich hinter der Aktion vermutete. Aber selbst wenn Daniel diese Gegenkampagne gestartet hatte, blieb die Frage, woher er seine Informationen bekommen hatte, denn von mir hatte er sie mit Sicherheit nicht. Ich hätte meinem Bruder nicht einmal die Farbe des unternehmensinternen Klopapiers verraten aus Angst, dass er diese Information gegen uns verwenden würde.
»Ich müsste wissen, wer die Anzeigen aufgegeben hat und wann. Wer von unserer Kampagne Kenntnis hatte …«
Ein Blick in Siebendt seniors Gesicht zeigte mir, dass die Person, die davon Kenntnis hatte, bereits vor ihm stand.
»Immerhin wussten jede Menge Leute davon, als da wären der Grafiker, der Setzer, die Mitarbeiter der Anzeigenabteilung …«
Der Anwalt nickte leicht und Siebendt senior entspannte sich etwas.
»Das sind nur die Leute, mit denen wir in direktem Vertragsverhältnis stehen. Ob sie einen Auftrag eventuell an Dritte vergeben oder sich Hilfe bei der Bearbeitung holen, ist mir nicht bekannt.«
»Unterzeichnen diese Leute keine Vertraulichkeitsvereinbarung?«, fragte der Anwalt.
Langsam fühlte ich mich wieder auf sichererem Terrainund nickte. »Natürlich. Aber das schließt nicht aus, dass einer dieser Leute oder jemand in der zweiten Reihe auf die Vereinbarung pfeift und auf den Putz haut, wenn ihm unsere Anzeige nicht gefällt.«
»Finden Sie heraus, wer uns das angetan hat«, sagte Siebendt senior und nickte dem Anwalt zu. Gemeinsam erhoben sich die beiden und verließen Philips Büro. Ich ließ mich erschöpft auf einen Stuhl sinken.
»Dir ist klar, dass das der Markting-Gau schlechthin ist?«, fragte Philip.
Ich nickte.
Er legte eine Hand auf meine Schulter. »Ich hoffe, du kannst da noch was retten.«
Ich war mir unsicher, ob der leichte Druck seiner Finger Unterstützung oder Drohung signalisieren sollte.
Ich telefonierte den ganzen restlichen Tag und hatte nur eine unklare Vorstellung, was die Tageszeit, das Wetter oder sonstige Eckpunkte anging. Der Anzeigenleiter des Magazins war nicht zu sprechen. Ich hinterließ drei Bitten um Rückruf, bis ich keine Lust mehr hatte, mich vertrösten zu lassen, und seinen Vorgesetzten anrief. Auch der wollte sich erst verleugnen lassen, kam dann aber doch an den Apparat. Nein, er habe keine Kenntnisse von den Vorgängen, er habe nur das Resultat gesehen. Ja, er könne sich vorstellen, dass wir nicht erbaut seien. Nein, er habe aktuell keine Lösung, die er uns anbieten könne. Ja, sicher wisse er, dass er einen wichtigen Anzeigenkunden erheblich – ich
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