Möhrchenprinz - Roman
Zwei-Blatt-Pflanzen führte, überredete ich PS und konnte eine mehrere Hundert Jahre alte Welwitschie aus der Nähe betrachten. Sie sah noch unwirklicher aus als auf den Fotos und ich kam mir vor wie auf einem fremden Planeten. Das Auftauchen einer außerirdischen Lebensform hätte mich nicht für zwei Cent überrascht.
Der vierte Tag führte uns in die Wüste Namib mit ihren roten Sanddünen, wo wir in einem Zelt schliefen, das luxuriöser war als das Penthouse meines Bruders in Düsseldorf. PS nahm eine heiße Dusche unter freiem Himmel. Vier hölzerne Paravents schützten ihn dabei vor neugierigen Blicken. Ich gönnte mir ein heißes Bad in einem Karree aus weißen Leintüchern, die sich im Wind bewegten. Es gab eisgekühlten Champagner vor dem Abendessen und exquisit zubereitetes Wildfleisch vom Grill.
Alles das hatten Einheimische mit einem großen Truck mitten in die Wüste gebracht und aufgebaut, während wir im luxuriösesten Geländewagen der Welt gemütlich dorthin fuhren. Dieser Abend war – abgesehen von dem Luxus,der uns umgab – der erste, der meiner Vorstellung von einer Reise nach Namibia zumindest entfernt ähnelte.
Wir hatten zwar noch nicht viele Tiere gesehen, aber die würden, wie PS mir auf Nachfrage erklärt hatte, an unserem letzten Reiseziel kommen. Zumindest befanden wir uns hier mitten in der Wüste, und das war ein Gefühl, wie ich es mir niemals hätte ausmalen können. Vor allem, als die Sonne unterging.
Ich hatte noch niemals einen solchen Sternenhimmel gesehen.
Ich hatte noch niemals überhaupt eine solch schwarze Nacht erlebt. Es gab keine Lichtverschmutzung. Es gab nur die Wüste – und uns.
»Zufrieden?«, fragte Philip, als wir nach dem Essen vom Tisch aufstanden und ein paar Schritte Richtung Dunkelheit schlenderten. Die dienstbaren Geister räumten den Tisch ab, verstauten Silberbesteck, weiße Leinentischdecke und Champagnerkelche in Kisten oder verschwanden irgendwohin zum Spülen, ich wusste es nicht und es interessierte mich auch nicht. Heimlich schimpfte ich mich selbst aus, weil ich mich so schnell an dieses Kolonialherrengehabe gewöhnt hatte, aber da PS offensichtlich nichts Schlimmes daran fand, kam ich mir allein bei den Gedanken ein bisschen spießig vor.
»Es ist himmlisch schön«, seufzte ich.
Er trat hinter mich und legte seine Arme um meine Schultern. »Siehst du sie? Saturn, Uranus, Mars und Venus.«
Er deutete mit einer Hand an den Himmel, damit ich seinem Blick folgen konnte.
»Er ist wirklich rot!«, flüsterte ich, denn tatsächlich hatte der Mars einen roten Schimmer.
»Natürlich.« PS lachte leise. »Weiter: Die Milchstraße, das Kreuz des Südens … Hm.«
»Was heißt ›hm‹?«, fragte ich, als er nicht weitersprach.
»Dein Haar duftet.«
Okay, klang kitschig wie eine Hollywood-Schnulze, aber er hatte recht. Ich hatte mir die Haare mit einem Honigshampoo gewaschen, das ich im Seifenhalter der Badewanne gefunden hatte.
Ich hielt den Atem an. Jetzt gleich würde er mich an den Schultern fassen, zu sich herumdrehen und dann würde er mich küssen …
»Morgen möchte ich den Sonnenaufgang auf der Düne erleben, das heißt, dass wir verdammt früh aufstehen müssen. Also, ab in die Federn.«
Er gab mir einen Gutenachtkuss auf die Wange und ging zu seinem Zelt.
»Pass auf die Schlangen auf!«, rief er mir noch über die Schulter zu, dann war er verschwunden.
Ich blieb mit hängenden Armen in der klaren Nacht stehen und starrte in die Dunkelheit, bis mir kalt wurde.
22
Der Aufstieg auf die dreihundert Meter hohe Sanddüne im Stockdunkeln war der Horror und mehr als einmal fluchte ich leise aber inbrünstig über diese völlig bescheuerte Idee. Aber dann leistete ich PS im Stillen Abbitte, denn die Mühen hatten sich gelohnt.
Der Sonnenaufgang auf der Düne war unbeschreiblich, deshalb versuchte ich gar nicht erst, meine Gefühle in Worte zu fassen. Hätte ich in dem Moment einen Wunsch frei gehabt, hätte ich mir dieses Erlebnis als Beginn jedes weiteren Tages meines Lebens gewünscht. Erst als die Sonne schon so stark wärmte, dass mir unter dem Pullover der Schweiß über den Rücken lief, machten wir uns auf den Rückweg und stapften oder rutschten den Abhang wieder hinunter. Als ich unten ankam, war ich staubig, verschwitzt und völlig ausgehungert. Für eine kurze Dusche blieb noch Zeit, dann gab es Frühstück und gleich danach ging es los. In den Etosha Nationalpark, in dem wir die restlichen Tage verbringen wollten.
»Dort
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