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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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konnte?
    »Ich habe in meinem ganzen Leben nicht so viel Champagner getrunken wie auf dieser Reise.«
    »Das solltest du ändern. Champagner ist ein hervorragendes Getränk.«
    Schon wieder so eine seltsame Bemerkung, die man in jede beliebige Richtung interpretieren konnte.
    »Das kann sich die kleine Angestellte nicht leisten«, entgegnete ich.
    »Du bekommst eine Gehaltserhöhung.«
    »Wie viel?«, fragte ich.
    »Eine Kiste Champagner pro Monat gratis.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich will nicht zum Alkoholiker werden, nur weil mein Chef ein Snob ist.«
    Philip blickte mich überrascht an. »Du hältst mich für einen Snob?«
    Ich hätte mir auf die Zunge beißen können vor Ärger. Wir waren mitten in einer romantischen Unterhaltung und dann hatte ich nichts Besseres zu tun, als meinen Chef zu beleidigen. Wie blöd kann man eigentlich sein?
    »Na, traust du dich jetzt nicht mehr, zu deiner Meinung zu stehen?«, fragte Philip mit einem spöttischen Grinsen. »Keine Angst, ich werfe dich nicht raus.«
    »Klar bist du ein Snob«, sagte ich also mit hochgerecktem Kinn und einem verwegenen Lächeln im Gesicht. Zumindest hoffte ich, dass es verwegen war. »Du trägst handgefertigte Maßschuhe, Klamotten von den teuersten Designern, trinkt Schampus wie andere Leute Limonade, trägst Uhren, die ein Jahresgehalt deiner PR-Managerin kosten und leihst dir für die dreckigsten Straßen, die ich je im Leben gesehen habe, ein Auto, das vermutlich einen sechsstelligen Betrag kostet.«
    Philip war irritiert. »Und du kennst dich für einen Nichtsnob überraschend gut aus.«
    Ich kapierte nicht. »Womit?«
    Er machte eine vage Geste, die von seinem Scheitel zu den Schuhen und mit einem Schwung nach draußen vermutlich seine Ausstattung und die seines Autos einschloss. Dann dämmerte es mir. Er trug Markenklamotten und Uhren, die in Deutschland noch als Geheimtipp galten. Designer und Manufakturen aus New York, Mailand, Tokyo oder weiß der Teufel woher, jedenfalls nicht von der Kö. Eine kleine Studentin, die in einer ökologisch angehauchten WG wohnte und bis vor wenigen Monaten von dreihundert Euro verfügbarem Einkommen gelebt hatte, würde solche Marken nicht kennen.
    Ich hingegen kannte diese Sachen, weil mein Bruder ein Snob gewesen war. Daniel allerdings wollte ich auf gar keinen Fall erwähnen.
    Dummerweise bin ich eine extrem schlechte Lügnerin, besonders wenn Spontaneität gefragt ist. Geplante Lügen fallen mir leichter, wie man an meiner PR-Kampagne gegen Daniels Aktion auf dem Carlsplatz zweifelsfrei sehen konnte.
    In dieser Situation, die ziemlich romantisch begonnen hatte und sich nun gefährlich nah am Abgrund meiner familiären Leiche im Keller bewegte, fiel mir spontan keine andere Bemerkung ein, als ein mit größter Resignation vorgetragenes: »Mein Bruder hatte deinen Geschmack.« Damit würde sich das Gespräch weiter in Richtung Daniel bewegen, Philip würde weiterfragen, ich würde mich um Kopf und Kragen reden und …
    »Hatte?«, fragte Philip.
    Ich nickte mit gesenktem Kopf.
    »Oh. Das tut mir leid.«
    Was tat ihm leid? Ich brauchte einen Moment, bis ich kapierte, dass er dachte, mein Bruder sei tot. Vor Erleichterung wäre ich fast aufgesprungen und jubelnd um den Tisch gehüpft, aber das hätte komisch ausgesehen angesichts dieses vermeintlichen Todesfalls in der allerengsten Verwandtschaft. Also kämpfte ich um Beherrschung, verbarg meine Begeisterung, nahm einen ausgiebigen Schluck Schampus und sagte: »Lass uns von etwas anderem reden.«
    Philip übernahm die Gesprächsführung und erzählte von seinen Reisen, seinen Sportwettkämpfen und seinen Plänen für die Zukunft der Firma Siebendt. Er war ein blendender Unterhalter, der Begebenheiten, Orte und Menschen so anschaulich beschreiben konnte, dass man meinte, dabei gewesen zu sein. Er kannte Stars und Sternchen persönlich und ich lauschte ihm fasziniert. Nicht, dass ich jemals davon geträumt hätte, zu den handverlesenen Gästen irgendeines Sportlerballs, einer Filmpremiere oder eines ähnlichen Events zu gehören, aber die Berichte klangen beeindruckend.
    Das Essen wurde serviert und ich aß, ohne den Köstlichkeiten allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die gehörte ganz Philip. Er schien sich über mein Interesse zu freuenund redete bis nach dem Dessert, das für ihn aus einem großen Obstsalat bestand. Ich nahm sicherheitshalber nur einen Espresso.
    »Du bist eine gute Zuhörerin«, lobte Philip mich, nachdem das Geschirr

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