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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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hin.
    »Wie?«
    »Nichts, Pater. Wir sollten uns jetzt noch ein wenig ausruhen. Die Nacht war anstrengend genug.«
    Anselm schüttelte den Kopf. »Bald schon ist es Zeit für die Prim«, erklärte er. »Was bleibt uns sonst noch zu tun, außer zu beten?« Sein waidwunder Blick heftete sich auf Mathäus. »Bitte«, wisperte er flehentlich, »macht diesem Alptraum bald ein Ende.«
    Mathäus ergriff verständnisvoll seine Hand. »Ich verspreche es Euch! Beim heiligen Matthias, dem Schutzpatron Eures Klosters, ich werde den Mörder entlarven! Und jetzt entschuldigt mich. Ich muss noch ein Schreiben an den Meroder Kastellan verfassen.« Er stand auf und verließ den Saal mit großen Schritten.
    Draußen sog er die kühle Nachtluft in sich auf. Weiter hinten brannte die Baracke der Laienbrüder noch immer, doch das Wüten des Feuers hatte längst nachgelassen. Bald würde nur noch ein glühender Haufen Asche von dieser tragischen Nacht zeugen. Zwei Brände und vier Tote innerhalb weniger Tage, dazu eine Reihe beängstigender Fragen. Mathäus musste an die Worte des Priors denken: Die Boten des Teufels sind unterwegs! Gedankenverloren machte er sich auf den Weg ins Gästehaus. Er war sicher, dass der Mörder und Brandstifter am gestrigen Abend im Kapitelsaal gesessen hatte, als er von seiner Absicht, die Laienbrüder zu befragen, berichtete. Oder – hatte vielleicht jemand im Verborgenen gelauscht? Aber wer? Die Anzahl der Männer auf Schwarzenbroich hielt sich in überschaubaren Grenzen. War es wirklich richtig, alle Laienbrüder von hier fortzuschicken? So oder so, redete sich Mathäus ein, würde die Wahrheit bald ans Tageslicht kommen.
    Er betrat sein Zimmer und entzündete eine Öllampe. Erschöpft setzte er sich auf sein Bett und betrachtete seinen schmerzenden Unterarm, auf dem sich ein feuerroter Fleck abzeichnete. Die oberen Hautschichten begannen sich unter der Spannung der Wunde bereits zu lösen. Sein Blick fiel auf den Krug mit dem Wein, den der Novize ihm gestern Abend zusammen mit dem Abendmahl serviert hatte. Mathäus beschloss, die Kühle des Kruges auszunutzen, ihn auf die glühende Wunde seines Armes zu pressen. Mühsam erhob er sich und verharrte im Schritt, als er die gesamte Oberfläche des Tischchens überblicken konnte.
    Sein Herz setzte einen Schlag lang aus. Aus tausend Poren seines Körpers presste sich kalter Schweiß. Wie ohnmächtig ließ er sich wieder auf sein Bett sinken. Erst jetzt wurde ihm mit der Härte eines Hammerschlages bewusst, in welcher Gefahr er selbst schwebte. Nochmals sah er ungläubig zum Tisch hinüber: Vor der Schale mit den Pilzen, die immer noch unberührt dort stand, lag der Kadaver einer toten Maus!
    War das ein Zufall? War die Vergiftung des Essens versehentlich oder absichtlich geschehen? Warum hatte es ausgerechnet Bruder Theodor erwischt? Gab es irgendeinen Zusammenhang zu seiner sexuellen Neigung?
    Aber auch Bruder Walraf hatte offensichtlich Gift in seinem Essen gehabt. Und nun auch er, Mathäus. Wollte ihn jemand aus dem Weg räumen? Oder war die Sache mit den Pilzen am Ende doch nur ein tragisches Versehen? Ein Versehen, das mit all den anderen abstrusen Vorgängen auf Schwarzenbroich nicht das Geringste zu tun hatte und ihn nur zu fruchtlosen Gedankenspielen verleitete?
    Draußen erklang die helle Glocke der Klosterkirche, die die Mönche zur Laudes rief. Wahrscheinlich war es Anselm selbst, der sie betätigte.
    Auch Mathäus beschloss, ein paar Gebete zu sprechen, bevor er sich ganz der Lösung der Rätsel widmen würde. Und er begann sich zu fragen, ob er dem Prior nicht zu viel versprochen hatte.

11
    R ichmond Dreyling lag bereits seit Stunden wach, als das erste Tageslicht durch das Fenster fiel. Sein Zorn hatte sich ein wenig gelegt. Gestern wäre er am liebsten wieder abgereist, weil sein Sohn bis zum Abend immer noch nicht aufgetaucht war. Eine ganze Stunde lang war er unschlüssig durch die Stube geschlurft, schwankend zwischen Wut und Nachsicht, manchmal fluchend, manchmal lamentierend. Schließlich hatte er sich seufzend aufs Bett geworfen und eingesehen, dass er es sich später nicht verzeihen würde, wenn er sang- und klanglos abreiste. Mathäus schien seine Pflichten sehr genau zu nehmen. Und darin war er ihm, dem Vater, ähnlich.
    Dreyling zog die Stirn kraus. Seine Gedanken verirrten sich einmal mehr in die Vergangenheit. Wie oft schon hatten Frau und Kind auf ihn warten müssen, weil er mit irgendwelchen Kunden und Lieferanten zugange war.

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