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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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dem – äh – Dorfherrn ausrichten, sobald er wieder hier eintrifft.« Bevor die andere wieder anfangen konnte zu schnattern, warf er mit einer abrupten Bewegung die Tür ins Schloss. Schreckensbleich stemmte er seinen Rücken dagegen und schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Die spinnen«, stammelte er. Erst als er sicher war, dass die Bäuerin das Weite gesucht hatte, begab er sich wieder zum Tisch, wo er sich pustend auf seinen Schemel sinken ließ. »Unterdörfler, Oberdörfler«, murmelte er, »als ob das einen Unterschied macht.« Er warf einen flehenden Blick nach oben. »Oh Gott, wo bin ich hier gelandet? Und warum lässt Du meinen Sohn in diesem Nest versauern?« Mit einem Male verspürte er einen brennenden Durst. »Wollen mal sehen, ob es hier wenigstens eine Schenke gibt«, knurrte er.
    Er machte sich ein wenig frisch, kleidete sich an und verließ das Haus.
    Der herbstliche Regen der letzten Tage hatte die Dorfstraße in einen braunen Morast verwandelt. Fluchend stapfte Dreyling voran und schaute sich um.
    »He!« rief er einem Knecht zu, der einen Eimer Unrat in den Bach kippte. »He, du! Gibt es an diesem gottverlassenen Ort auch eine Schenke oder so etwas?«
    Der Knecht streckte seinen Arm. »Gleich dort vorne, Herr.«
    Dreyling starrte auf das windschiefe Fachwerkgebäude, das sich nur ein paar Meter weiter zu seiner Linken erhob. Es war flankiert von zwei kleinen Bauernhäusern, die ebenfalls nicht gerade den Eindruck erweckten, als ob sie den nächsten Sturm unbeschadet überstehen könnten. ›Carolus Magnus‹ las er auf einem hölzernen Schild über dem Eingang der Schenke.
    »Das soll eine Schenke sein?«, fragte er sich selbst. Er zuckte hilflos seine Schultern. »Wohlan denn, was soll's.« Als er in die Wirtsstube trat, offenbarte sich ihm eine gähnende Stille. Niemand war anwesend, nicht einmal der Wirt. Die Stube war abgedunkelt; trotzdem konnte Dreyling erkennen, dass alles säuberlich aufgeräumt war. Die Schemel verharrten unter den Tischen, auf einem Regal hinter dem Schanktisch standen – penibel der Größe nach sortiert – Dutzende gespülter Becher.
    »Ist hier einer gestorben?«, brüllte er durch den Raum. Er klatschte mehrmals in die Hände und ließ sich an einem der Tische nieder. »Also, was ist?«, rief er. »Ist das hier eine Schenke oder ein Leichenhaus?«
    Nach einigen Augenblicken hörte er hinter der Holzvertäfelung des Schanktisches schwerfällige Schritte. Durch eine Tür stolperte ein kleines kahlköpfiges Männlein mit einem dicken Wanst in die Stube. Mit verschlafenen Augen blinzelte es in das Dunkel.
    »Hallo? Wer da?«
    »Wer da«, dröhnte Dreyling, »ein Gast natürlich.«
    Das Männlein trat näher. Neugierig betrachtete es den Fremden mit dem vornehmen Gewand und den vor Schmutz triefenden Stiefeln. Dann breitete es beflissen seine Arme aus. »Willkommen, Fremder. Willkommen im ›Carolus Magnus‹, in dem – wie der Name ja schon sagt – bereits der große Karl zu Gast war.«
    Dreyling blickte sich um. »Das glaubt Ihr ja selbst nicht.«
    Der kleine Dicke überhörte seine Bemerkung. »Ich bin Leo, der Wirt«, stellte er sich mit seidiger Stimme vor. »Verzeiht, dass Ihr warten musstet. Aber es ist selten, dass mich zu so früher Stunde Gäste aufsuchen.« Er beugte sich vor, kniff ein Auge zu. »Ihr müsst wissen, dass die meisten meiner Gäste Bauern sind.«
    »Wirklich? Das hätte ich kaum für möglich gehalten.«
    »Und Bauern haben zu dieser Tageszeit leider Gottes anderes zu tun, als mein herrliches Bier zu kosten, das ich im Auftrag der Herren von Merode zu brauen pflege. Trink Leos Bier und es geht besser dir.« Er lachte hell auf über seinen gelungenen Reim. »Darf ich Euch einen Becher davon bringen, edler Herr?«
    Dreyling winkte ab. »Bringt mir einen Becher Wein, aber von Eurem besten Roten.«
    »Aber mein Bier ist in der ganzen Herrschaft wohlbekannt«, erwiderte Leo fast ein wenig beleidigt.
    »So? Und der Blinde ist König unter den Einäugigen. Gibt's nun Wein hier oder nicht?«
    Leo lächelte gequält und watschelte zu seinem Schanktisch, wohl wissend, dass es nicht die Qualität seines Weines war, der das ›Carolus Magnus‹ bei den Bauern so beliebt machte. Mit einem tönernen Krug und einem Becher kehrte er zu Dreylings Tisch zurück.
    »Ihr seid auf der Durchreise?«, fragte er, während er den Becher seines Gastes füllte.
    »Nein, ich besuche meinen Sohn. Mein Name ist Dreyling.«
    »Dreyling?« Leo spitzte grübelnd den

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