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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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Mund. »Dreyling?«
    »Ich bin der Vater Eures – na, wie sagt man? – Dorfherrn.«
    Der Wirt hob überrascht die Augenbrauen, so dass seine Glatze Runzeln warf. »Des Herrn Mathäus?«
    »Nein, des Herrn Dreyling.« Er griff nach seinem Weinbecher und schaukelte ihn prüfend, während Leo, der händereibend neben ihm stehen blieb, um Gesprächsstoff bemüht war.
    »Vor ein paar Tagen hättet Ihr hier sein sollen, Herr Dreyling«, plapperte er mit seiner hellen Stimme, »ein durchreisender Spielmann sang drei Abende hintereinander vom Lied der Nibelungen. Die halbe Herrschaft saß hier versammelt.« Er hielt inne; scheinbar wartete er nun auf eine Erwiderung seines Gastes. Doch Dreyling war immer noch stumm mit der Prüfung des Weines beschäftigt.
    »Mord und Totschlag, sag ich Euch«, fuhr Leo also fort, »da rollten die Köpfe wie anderswo die Kürbisse. Und wisst Ihr auch, was man alles mit einer Tarnkappe machen kann?«
    Dreyling nippte an seinem Becher.
    »Eine Tarnkappe ist nicht nur hilfreich, wenn man ein paar lästige Zeitgenossen loswerden möchte.« Der Wirt verfiel in einen schelmischen Flüsterton. »Eine Tarnkappe kann einem auch die Frau seines Herzens bescheren, ohne dass die Liebste dich sieht. Wenn Ihr wisst, was ich meine.«
    »Woher habt ihr den?«
    »Wen?«
    »Den Wein.«
    Leos Grinsen wurde schmaler. »Den Wein? Ein Händler aus Düren liefert ihn mir.«
    »Er schmeckt nicht.«
    »Er … schmeckt nicht? Das ist Rheinwein.«
    »Rheinwein, pah! Er schmeckt nach Jauche. Er schmeckt genauso, wie es in diesem Nest riecht. Wer liefert Euch solche Brühe?«
    »Vielleicht solltet Ihr doch lieber mein Carolus-Bräu probieren, edler Herr. Natürlich auf Kosten des Hauses.«
    »Ach, hört auf.« Dreyling fischte eine Münze aus seinem Gewand hervor, ließ sie auf den Tisch fallen und erhob sich grimmig. »Wahrscheinlich ist Carolus nur gestorben, weil er Euer Bräu probierte.« Mit großen Schritten verließ er die Gaststube und würdigte Leo keines Blickes mehr. Ein paar leise Flüche murmelnd, dass man in diesem gottverlassenen Nest nicht einmal einen gepflegten Wein trinken könne, stampfte er zurück zum Haus des Dorfherrn. Er ignorierte die beiden kichernden Mägde, die ihm unterwegs begegneten, und stieß einen neuerlichen Fluch aus, als er feststellte, dass sein Sohn noch immer nicht daheim war. Daraufhin ging er in den Stall und sattelte seine Mähre. Schon bald erschien er wie ein rächender Reiter auf der schlammigen Dorfstraße.
    »Jetzt wollen wir mal sehen, wo dieses Weibsbild wohnt, das meinem Sohn den Kopf verdreht, Lilli«, erklärte er seinem Pferd. Er winkte einen Bengel zu sich heran, der am Bach mit zwei Kumpanen ein paar Fröschen die Schenkel langzog. »Sag, Junge: Gibt's hier in der Nähe ein Nest namens Schlich?«
    »Ja, Herr.« Der Junge deutete die Straße hinab. »Reitet hinter dem letzten Bauernhaus nach rechts, auf den Strangsweg. Der führt Euch direkt dorthin.«
    Dreyling schnippte ihm eine Münze hinüber und trieb sein träges Pferd mit einem unsanften Druck seiner Schenkel voran. Der Strangsweg entpuppte sich als besserer Trampelpfad, der über wilde Wiesen führte. Hinter einem Wäldchen voller Sträucher wurden aber schon bald die Dächer der benachbarten Ortschaft sichtbar.
    Die Schlicher Dorfstraße war in einem ähnlich bedauernswerten Zustand wie die in Merode. Dreyling gab es schnell auf, sein Pferd um die braunen Pfützen herumzulenken. Aus einem Stall, in dem offenbar eine Sau geschlachtet wurde, erklang ein erbärmliches Quieken. Ein Lausbub kam herausgeeilt und schwenkte grinsend einen Ringelschwanz. Ein junger Knecht, der ihm folgte, um ihm in den Hintern zu treten, stoppte seinen Lauf abrupt; fast wäre er in Dreylings schnaubende Mähre hineingelaufen. Der Bursche, der scheinbar in dem Glauben war, einen Beamten der Meroder Herren vor sich zu haben, deutete eine schüchterne Verbeugung an.
    »He, du!« Dreyling machte eine verschwörerische Geste. »Kennst du ein Mädchen namens Jutta?«
    Der Bursche lächelte fast wehmütig. »Wer kennt die nicht?«
    Dreylings Augen wurden schmal. »Was soll das heißen?«, fragte er lauernd.
    »Nichts. Nur, dass Jutta leider schon vergeben ist. Wisst Ihr das nicht? Seid Ihr nicht von der Burg? Sie ist die Geliebte des Meroder Dorfherrn.«
    »Danach habe ich dich nicht gefragt!« Dreylings Stimme lag wie ein Donner in der Luft. Der Getadelte senkte schuldbewusst den Kopf.
    »Wo wohnt sie, Kerl?«
    »Dort hinten, Herr.

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