Mönchsgesang
Bad ertrunken?«
»Nein, Herr. Aber …«
»Aber was?«
»Ich … ich weiß nicht, was passiert ist.« Der junge Diener mied den Blick des Dorfherrn. Unbeholfen spielte er mit seinen Fingern.
»Wer schickt dich?«
»Frau Elisabeth von Grafschaft.«
»Frau Elisabeth? Du gehörst doch zu Rikalts Dienerschaft.«
Dietrich hob seine Schultern. »Frau Elisabeth bestand darauf, dass man den schnellsten Reiter der Burg nach Euch schickte.«
»Und das bist zweifellos du. Aber verdammt, du musst doch eine leise Ahnung haben, was vorgefallen ist.«
»Nein, Herr. Man sagte mir nur, dass Ihr sofort kommen müsst.«
Er lügt, ging es Mathäus durch den Kopf. Er weiß mehr, als er zugeben will. Aber warum? Dietrich hat mich noch nie belogen!
»Sofort, Herr«, wiederholte der Diener.
Mathäus unterdrückte einen Fluch und schluckte. »Gut. Hol schon mal die Pferde, Dietrich.«
Der Diener nickte beflissen und war sichtlich froh, sich entfernen zu dürfen. In der Tür stieß er beinahe mit dem Prior zusammen. Dietrich murmelte eine Entschuldigung und eilte hinaus. Anselms eingefallene Augen sahen Mathäus ungläubig an. Mit einer beschwörenden Geste schritt der Prior auf den Dorfherrn zu. »Sagt, habe ich das eben richtig verstanden? Ihr wollt weg?«
Mathäus nickte seufzend, hob aber sogleich beschwichtigend die Hand. »Ich bin so schnell wie möglich wieder hier, Pater.«
»Und was versteht Ihr unter so schnell wie möglich?«
»Nun, äh …«
»Habt Ihr mir nicht hoch und heilig versprochen, den Mörder zu fassen, der in meinem Kloster wütet wie ein Wolf in einem Schafstall?«
»Sicher, Pater, aber …«
»Und habt Ihr nicht die gesamte Schar der Laienbrüder von hier fortgeschickt, angeblich, um deren Leben nicht zu gefährden und der Lösung der Rätsel somit näher zu kommen?« Die Stimme des Priors wurde immer lauter. Anselm schien mit wachsender Vehemenz aus seiner depressiven Lethargie zu erwachen. »Seht Euch hier einmal um, Herr Mathäus. Das Klosterleben ist fast zum Erliegen gekommen. Schwarzenbroich gleicht einer Stätte für Geister und Tote. Meine Mitbrüder siechen dahin, und dann kommt Ihr, der Ihr hier alles auf den Kopf gestellt habt, und sagt, dass Ihr von hier fort müsst. Difficile est satiram non scribere!«
»Äh, wie?«
»Ich sagte, es ist schwer, hier keine Satire zu schreiben.«
»Ach so.« Mathäus pustete die Luft aus seinen Wangen. Er konnte die Verärgerung des Priors durchaus verstehen. Anselm hatte ja Recht. Es war in der Tat nicht gerade schicklich, ihn jetzt im Stich zu lassen. Dieser verfluchte Konrad! Am liebsten hätte er den arroganten Edeling in diesem Augenblick erwürgt. Wahrscheinlich war es eine Lappalie, für die man ihn rufen ließ, nicht zu vergleichen mit den mörderischen Vorkommnissen auf Schwarzenbroich. Mathäus legte eine Hand auf den Arm des Priors, den dieser ihm aber sogleich wütend entzog.
»Pater, Ihr müsst mich verstehen. Ich diene den Herren von Merode, und wenn man mich rufen lässt, so habe ich zu erscheinen. Auch Ihr würdet ja nicht Euer Gehorsamsgelübde brechen, oder?«
Anselm brummte etwas Unverständliches. Wieder griff Mathäus nach seinem Arm; diesmal ließ der Prior ihn gewähren. »Ich verspreche Euch, so bald wie möglich wieder hier zu sein. Zuerst einmal muss ich jedoch in Erfahrung bringen, was auf dieser vermaledeiten Burg geschehen ist. – Oh, entschuldigt«, fügte er hinzu, als er den entsetzten Blick des Mönches sah. Mit großen Schritten verließ er den Saal.
Draußen pfiff ein herbstlicher, feuchter Wind. Mathäus hastete hinüber zum Gästehaus, um seinen Übermantel aus seiner Kammer zu holen. Im Flur begegnete ihm Norbert von Kerpen, der an der Seite seines Weibsbildes soeben die Treppe hinunterspazierte.
»Das war eine Nacht, was Mathäus?«, polterte er. »Wie in Sodom und Pandora, oder wie heißen diese verdammten Nester?«
Der Dorfherr grunzte, ging in seine Kammer und kam mit seinem Übermantel wieder zum Vorschein.
»Ihr wollt weg?«, wunderte sich Norbert.
»Ja.«
»Die Schnauze voll von dem ganzen heiligen Schlamassel, was? Kann ich verstehen. Aber der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.«
»Wirklich?« Der Dorfherr warf einen prüfenden Blick auf die Begleiterin des Ritters, die mit gespreizten Fingern provokant durch ihre langen blonden Haare strich. »Oh, sagt, edle Dame: Hattet Ihr nicht gestern noch rote Locken? Tragt Ihr vielleicht eine neue Perücke?«
»Nein, nein«, winkte
Weitere Kostenlose Bücher