Mönchsgesang
Mitbrüdern verbracht.
Mathäus schnappte sich einen hölzernen Schemel und stellte ihn leise neben das Bett des Novizen. Mühsam darauf bedacht, keine Geräusche zu verursachen, setzte er sich hin; er würde warten müssen, bis die Männer erwachten. Karsil jedoch schien die Gegenwart des Ankömmlings schon bald zu spüren. Mit einem verschluckten Laut des Erschreckens schlug er die Augen auf.
»Ihr?«, flüsterte er.
Der Dorfherr lächelte ihn mitfühlend an.
Karsil zog eine schwache Hand unter der Bettdecke hervor und presste sie an seine Stirn. »Mein Gott, ist mir schlecht!«
»Es wird dir bald wieder besser gehen«, beruhigte ihn der Dorfherr.
»Was … was ist geschehen?«
»Vermutlich ein paar giftige Pilze.«
»Pilze?« Karsils Hand glitt zu seinem Mund. »Bitte, erzählt mir nichts von Pilzen, sonst muss ich mich gleich wieder übergeben.«
Mathäus nickte verständnisvoll. »Sag, Karsil: Ist dir gestern beim Abendmahl nichts Verdächtiges aufgefallen?«
»Was meint Ihr?«
»War irgendetwas anders als sonst?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Und die – entschuldige! – die Pilze? Hatten sie einen eigenartigen Geschmack?«
Karsil schüttelte müde den Kopf.
»Sie waren vielleicht ein wenig bitter«, krächzte eine heisere Stimme nebenan. Mathäus schaute auf. Auch Walraf war inzwischen aufgewacht und hatte das Gespräch der beiden offenbar verfolgt. Sein unsteter Blick war fiebrig verschleiert. Doch selbst im Zustand des Krankseins besaß er noch den Liebreiz einer in der Sonne ruhenden Echse.
»Das würde ich auch sagen«, meldete sich eine weitere Stimme zu Wort. »Die Pilze schmeckten ein wenig bitterer als sonst.« Bruder Notker versuchte sich aufzurichten, merkte aber schnell, dass die Kraft seiner Arme ihn im Stich ließ. Stöhnend ließ er sich wieder in sein Kissen sinken. Zwei ungeordnete graue Haarbüschel neben seiner Tonsur ließen ihn wie einen Uhu aussehen. Er warf dem Dorfherrn einen Blick zu, als sei dieser schuld an seinem ganzen Elend.
»Aha!« Mathäus nahm seinen Schemel und setzte sich in die Mitte, vor das Bett des Cellarius, denn er merkte, dass das laute Sprechen den Mönchen Mühe bereitete. »Vielleicht hilft mir diese Information ja weiter«, erklärte er.
»Ach, hört doch auf damit!« Notker machte eine abwehrende Handbewegung. »Ihr seid ein dummer Wichtigtuer.«
Mathäus runzelte die Stirn. »Wie meint Ihr das, Bruder?«
»Ihr kommt hierher, spielt Euch auf wie ein Vogt und merkt gar nicht, dass Ihr das Unheil anzieht wie ein Misthaufen die Fliegen.«
»Ihr vergesst, dass es Euer Prior war, der mich rufen ließ.«
»Ja, weil er Euch um einen Gefallen bat. Aber Euer Auftreten hier hat nichts mehr mit einer Gefälligkeit zu tun.«
»Nun, ich musste den Prior auf ein paar Dinge hinweisen, die seiner sonst zweifellos geschätzten Aufmerksamkeit entgangen waren. Ich hätte wahrlich andere Dinge zu tun, als mich in Eure Angelegenheiten zu mischen.«
»Warum tut Ihr es dennoch?«
Mathäus zwang sich, ruhig zu bleiben. »Weil es innerhalb dieser Mauern einen Mörder gibt. Darum!«
Walraf lachte zischend. »Und wenn es tatsächlich so ist – was geht Euch das an? Auf Schwarzenbroich gilt die Gerichtsbarkeit der Heiligen Mutter Kirche.«
Der Dorfherr nickte. »Da stimme ich Euch zu. Aber der Mörder muss zuerst einmal gefunden werden, bevor diese Gerichtsbarkeit überhaupt zum Zuge kommen kann.«
»Leider habe ich bislang nicht den Eindruck, dass Ihr tatsächlich in der Lage seid, diesen vermeintlichen Mörder zu entlarven«, sagte Notker verächtlich. »Vielmehr stelle ich fest, dass die Anzahl der Toten und Katastrophen seit Eurer Ankunft hier drastisch zunimmt.«
Mathäus wollte etwas erwidern, doch dann verbiss er es sich. Er sah, wie sehr die unverblümt zur Schau gestellten Emotionen an den Kräften der beiden Mönche zehrten. Sie hatten ihre Augen wieder geschlossen, als wollten sie somit das Ende ihrer Gesprächsbereitschaft signalisieren. Mathäus sah ein, dass eine weitere Befragung wenig Sinn machen würde, auch wenn er sich von der Unterhaltung wesentlich mehr erhofft hatte. Er fragte sich im Stillen, ob ihre Sturheit ein Symptom der Pilzvergiftung, ein Zeichen von Bigotterie oder ein Vertuschungsversuch war. Und falls das Dritte zutraf: Was gab es zu vertuschen? Wieder führte er sich sämtliche Fakten vor Augen. Karsils Hüsteln riss ihn aus seinen Gedanken. Der junge Novize warf ihm einen bedauernden Blick zu, als wollte er sich von den
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