Mönchsgesang
seht, trennt der breite Gang in der Mitte die beiden Familien während des Gottesdienstes.« Er warf einen bedauernden Blick nach oben. »Nicht einmal im Hause des Herrn wird Eintracht demonstriert.«
Der Dorfherr hatte nun genug gesehen und erfahren. Er bedankte sich bei dem Kaplan für die bereitwilligen Informationen und verließ die Kapelle, um erneut den Kastellan aufzusuchen. Nun erwartete ihn die undankbare Aufgabe, Paulus, Harper, dessen schöne Gattin und auch den jungen Rikalt zu befragen – Elisabeth von Grafschaft würde darauf bestehen.
Friedrich informierte den Burgvogt, und eine halbe Stunde später saß Mathäus ihnen in dem Saal gegenüber, in dem man vorgestern noch mit Bruder Walraf gesprochen hatte. Paulus hatte, wie nicht anders zu erwarten, ein hochmütiges, von Spott überzogenes Gesicht aufgesetzt; er erkannte das Dilemma des Dorfherrn und weidete sich an dessen Unwohlsein. Harper war ein paar Jahre jünger als sein Vetter, doch er trug den gleichen schwarzen Bart. Desinteressiert ließ er seinen trüben Blick durch den Saal schweifen; er sah aus, als hätte er bereits einen Humpen intus. Neben ihm saß Beatrix, seine hübsche Frau, die den Dorfherrn mit auffordernder Offenheit ansah. Diesmal trug sie ihre Haare unter einer bunten Haube verborgen. Ihr Mund aber schien zu lächeln, so dass Mathäus sich gezwungen sah, schnell in eine andere Richtung zu schauen. Außerdem wurde ihm in diesem Augenblick bewusst, dass er immer noch unrasiert war. Er hatte an diesem turbulenten Tag einfach noch nicht die Gelegenheit dazu gehabt. Am liebsten wäre er aufgestanden und wieder gegangen, denn er empfand das unwillkürliche Gefühl, dieser Frau gefallen zu müssen.
Rikalt zwinkerte dem Dorfherrn zu, und Mathäus war sich nicht sicher, ob das eine seiner freundlichen Gesten war oder ob es sich auf die schöne Frau in ihrer Mitte bezog.
Mathäus begann zu hüsteln. »Ich, äh …« Er hätte sich selbst ohrfeigen können wegen seiner Unbeholfenheit. Nicht, dass ihm diese Befragung Angst machte – normalerweise machte er sich einen Sport daraus, Paulus ein wenig zu diskreditieren –, doch in diesem Fall konnte der Schuss allzu leicht nach hinten losgehen.
»Was gibt's denn, Herr Hüter der herrschaftlichen Ordnung?«, fragte Paulus süffisant.
Der Dorfherr gab sich einen Ruck. »Wie wir alle wissen, ist auf Herrn Konrad ein Attentat verübt worden.« Er machte eine Pause, um in den Gesichtern der Anwesenden zu lesen.
»Ja, und?« Paulus spreizte die Hände und war sichtlich amüsiert.
»Das Attentat geschah, als ihr alle noch in der Kapelle wart.«
»Das habt Ihr fein herausgefunden!«
Mathäus biss sich auf die Zunge. »Meine Frage an Euch lautet, ob Euch etwas Außergewöhnliches aufgefallen ist.«
»Was denn zum Beispiel?« Harpers Stimme klang ungeduldig und verschwommen, was Mathäus in seinem Eindruck bestärkte, dass der Mausbacher sich schon den einen oder anderen Becher zu Gemüte geführt hatte. Er fragte sich ernsthaft, wie eine Frau wie Beatrix an der Seite eines solchen Kerls leben konnte.
»Nun, habt Ihr vielleicht jemanden flüchten sehen oder eine fremde Stimme gehört?«
Paulus lehnte sich behaglich in seinem Stuhl zurück. »Wie Ihr ja selber sagtet, saßen wir alle noch in der Kapelle. Und da Ihr diese als gewissenhafter Ermittler sicherlich besichtigt habt, wird es Eurer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass der Vorraum von der Kapelle durch einen schweren Vorhang getrennt ist. Da wir aber weder Augen am Hinterkopf haben noch durch einen Vorhang hindurchsehen können, konnten wir bedauerlicherweise nicht erkennen, was dort vor sich ging. Und außer einem dumpfen Schlag und Herrn Konrads kläglichem Wehgeschrei haben wir nichts vernommen.«
Harper begann schallend zu lachen, so dass seiner Kehle ein unwillkürliches Rülpsen entfuhr. Mathäus entging nicht, welch verachtenden Blick seine schöne Gemahlin ihm zuwarf.
»Ach, Herr Paulus, Euer Witz ist immer wieder erquickend«, sagte der Dorfherr und verdrehte die Augen. »Also, niemand kann mir einen Anhaltspunkt geben, wer im Vorraum der Kapelle Herrn Konrad etwas Böses wollte?« Er stellte die Frage laut in den Raum.
»Ich fürchte, nein«, antwortete Beatrix nach ein paar Augenblicken. Ihre Stimme faszinierte den Dorfherrn. Sie war nicht zu hell, verriet, ebenso wie ihre Augen, Leidenschaft und Intelligenz. »Der Attentäter muss aus einer der seitlichen Türen gekommen und sogleich wieder verschwunden sein.
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