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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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empfand. »Bis nachher also«, fügte er hinzu, bevor er die Stube verließ.

14
    D er Burgkaplan, den man nur Moses nannte, weil er den wallenden Bart eines Propheten trug, verschränkte die Arme über seinem Bauchansatz. Mit dem Kinn deutete er zu Boden.
    »Hier hat er gelegen«, erklärte er mit dunkler Stimme. Mathäus sah sich in dem ungeheizten Vorraum um. Vorne, hinter einem mit Kreuzsymbolen bestickten Vorhang, lag der Zugang zur Kapelle. Aber sowohl zu seiner Rechten als auch zur Linken erblickte er eine hölzerne Tür. »Die beiden Türen führen zur Burg, nicht wahr, Herr Kaplan?«
    »Ja. Die eine in den Westflügel, die andere in den Ostflügel.«
    »Sind sie immer verschlossen?«
    »Eigentlich nicht.« Er demonstrierte es an einer der Türen.
    »Mit anderen Worten: Der Attentäter braucht nicht zwangsläufig aus der Kapelle gekommen zu sein.«
    »Das sehe ich auch so.«
    »Entzückend.« Der Dorfherr stöhnte auf. Von diesen beiden Türen hatte er nichts gewusst; natürlich hatte Elisabeth von Grafschaft auch geflissentlich darauf verzichtet, sie zu erwähnen. Im Prinzip konnte also jeder Bewohner der Burg für die Tat in Frage kommen.
    Mathäus betrat die Kapelle während seiner Amtszeit als Dorfherr zum ersten Mal. Sie war lediglich für ganz private Gottesdienste der Burgherren bestimmt; sonntags allerdings wurde auch eine Messe für das Gesinde gelesen. Außerdem durften die Bediensteten zu bestimmten Zeiten dort beten, denn ein Gang zur Echtzer Pfarrkirche hätte sie zu lange von ihren Pflichten abgehalten.
    Moses führte den Dorfherrn durch die Kapelle, die kühl und schmucklos wirkte. In Anbetracht des Tabernakels, das wenigstens mit edelsteinartigen Perlen besetzt war, unterhielten sich die Männer nur flüsternd.
    »Natürlich will keiner der Burgherren in dieses Gotteshaus investieren, solange sie es sich teilen müssen«, sagte Moses wie zur Entschuldigung. Er winkte den Dorfherrn verschwörerisch zu sich heran. »Herr Konrad sprach sogar davon, eine eigene Kapelle bauen zu lassen.«
    Mathäus nickte. Er kannte so manche von Konrads Zukunftsplänen. »Wo wart Ihr, als das Attentat geschah?«, fragte er dann unvermittelt.
    »Der Gottesdienst war beendet, ich befand mich wieder in der Sakristei. Und bevor Ihr fragt: Benno, meinen Messdiener, hatte ich bereits weggeschickt.« Er zupfte verlegen an seiner Kutte. »Aber wenn Ihr wollt, kann ich Euch, äh, jemanden nennen, der bezeugen kann, dass ich …«
    »Schon gut, schon gut«, winkte der Dorfherr ab. Er wusste, dass man dem Kaplan Frauengeschichten nachsagte. Möglicherweise hatte ein Weib in der Sakristei auf ihn gewartet. Doch Mathäus empfand ein Nachhaken in dieser Angelegenheit als peinlich und hielt es außerdem nicht für erforderlich. Auch wenn der Kaplan das Zölibat nicht bejahte, so war er dennoch ein gottesfürchtiger Mann, der davon überzeugt war, dass das Ende der Welt nicht mehr fern lag. Bei aller notwendigen Buße, fand Moses, sollten die Freuden des Leibes nicht zu kurz kommen. Diese und andere Ansichten trugen ihm die Gegnerschaft des Pfarrers Johannes von Echtz ein, der einen äußerst strengen Glauben lebte. Und auch sonst gab es für die beiden, die einander zugetan waren wie Katze und Hund, reichlich Anlässe für Rivalitäten.
    »Wohlan denn«, fuhr Mathäus fort. »Wer befand sich noch in der Kapelle, als die Tat geschah?«
    »Der junge Rikalt, Herr Paulus, Herr Harper von Mausbach und dessen Gattin Beatrix. Als ich Herrn Konrad schreien hörte, eilte ich sofort hinaus. Die Genannten saßen immer noch auf ihren Bänken dort. Frau Elisabeth dagegen hatte die Kapelle noch vor dem Schluss-Segen mit ihren kleinen Söhnen verlassen. Die beiden Kerle waren während der gesamten Messe sehr unruhig gewesen.«
    Mathäus machte ein resignierendes Geräusch. Eines stand fest: Paulus und Konsorten, wie Elisabeth sich ausgedrückt hatte, kamen für die Tat nur schwerlich in Betracht. Aber das hatte er von Anfang an auch nicht geglaubt. Nicht, dass er Rikalts Burgvogt keine Boshaftigkeiten zugetraut hätte – der Mann war ehrgeizig, die Zweiteilung der Burg und Herrschaft ein Dorn in seinem Auge –, doch er hätte sich sicherlich subtilerer Methoden bedient, wenn er Konrad ins Jenseits hätte befördern wollen.
    »Dort also saßen Rikalt und die Mausbacher«, sagte Mathäus, um seinen Frust zu verbergen, »und wo haben die Scheiffarts ihre Plätze?«
    Moses deutete auf eine Kirchenbank auf der anderen Seite. »Da. Wie Ihr

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