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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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zusammen, so dass beide auf das Pflaster purzelten. Chlodwig begann wütend zu knurren und wollte sich auf den vermeintlichen Angreifer stürzen, allein der Befehl seines Herrn hielt ihn zurück. Im nächsten Augenblick stand ein korpulenter Mann mit hochrotem Gesicht und weißer Schürze neben ihnen. Mit einer Backrolle drosch er auf den Knaben ein, der schützend seine Hände über den Kopf hob und verzweifelt versuchte, sich aufzurichten.
    »Dich werd ich lehren, meine Brötchen zu stehlen«, fauchte der Dicke, der selbst Mühe hatte, wieder zu Atem zu kommen.
    Heinrich richtete sich ächzend auf und fasste den wild prügelnden Mann an der Schulter. »Lasst es jetzt gut sein, Meister. Dem Jungen wird's schon eine Lehre sein.«
    Ein wütendes Augenpaar richtete sich auf ihn. »Was geht Euch das an? Hat der Bengel etwa Euch beklaut?« Mit bebenden Kiefern hielt er Ausschau nach den städtischen Bütteln.
    Heinrich schüttelte den Kopf. Er zückte einen Geldbeutel und drückte dem feisten Bäcker eine Münze in die Handfläche. »Das dürfte reichen für ein paar Brötchen«, meinte er.
    Der Bäcker starrte in seine Hand, wobei sein pochender Hals hinter einer wulstigen Fleischrolle verschwand. Noch einmal warf er einen vernichtenden Blick auf den Bengel und watschelte knurrend davon.
    Heinrich half dem Dieb wieder auf die Beine. Unter den verschlissenen Hosenbeinen des Jungen kamen ein paar blutige Knie zum Vorschein. Er tastete stöhnend nach seinen Blessuren, die die Backrolle an seinen Armen hinterlassen hatte. Scheu blickte er zu seinem Helfer hoch. Heinrich fischte eine weitere Münze aus seinem Beutel und warf sie ihm zu. Der Junge fing sie geschickt auf, schenkte ihm ein dankbares Lächeln und verschwand dann hinkend hinter einem vorüberrumpelnden Karren.
    »Keine Sorge, wir können uns diese Barmherzigkeit leisten«, erklärte Heinrich seinem Hund. Chlodwigs Augen funkelten tatsächlich, als wollte er seinem Herrn einen Vorwurf machen. »Der Hufschmied hat mich gut entlohnt«, fuhr dieser fort. »Aber nun sollten wir an unsere eigenen Bedürfnisse denken.« Er deutete auf das Gasthaus zu ihrer Linken. ›Zu den Heiligen Drei Königen‹ stand dort auf einem kupfernen Schild zu lesen. »Was hältst du von einer warmen Mahlzeit und einem kühlen Trunk?« Chlodwigs Blick verriet weiß Gott keine Begeisterung. Gelangweilt betrachtete er die vorübergehenden Menschen.
    »Ich weiß«, seufzte Heinrich. »Du willst lieber einer läufigen Hündin nachstellen. Nur zu – du weißt ja, wo ich zu finden bin!«
    Als hätte er diese Aufforderung nur abgewartet, sauste der Hund wie ein schwarzer Schatten davon.
    »Aber meide das Rheinufer und die Ratten!«, rief sein Herr ihm noch nach. Heinrich teilte die Vermutung eines Gelehrten, der ihm einmal begegnet war, die Ratten könnten Überträger von Krankheiten sein.
    Er wandte sich dem Gasthaus zu. Inzwischen war es Mittag, entsprechend gefüllt war die Gaststube, in die er trat. An einem der vorderen Tische saßen drei Webergesellen, die hinter vorgehaltener Hand über ein paar Zunftherren schimpften. Weiterhin waren sehr viele Domarbeiter hier anwesend; Heinrich erkannte sie an ihren Kellen und Hämmern, die sie – um keine Diebe in Versuchung zu führen – mit sich trugen. Ein schlaksiger Kerl parlierte laut über die schlechte Verpflegung in der Bauhütte, ein anderer, dessen Weib offenbar in der dortigen Garküche arbeitete, widersprach ihm heftig. Eine lautstarke Diskussion entbrannte, die sich von Tisch zu Tisch ausbreitete. Als wäre der Geräuschpegel nicht schon hoch genug, begann das vor dem Schanktisch hockende Söhnchen des Wirts in eine Posaune zu pusten, aus deren vorderer Öffnung ein holzgeschnitzter Hintern erschien.
    Heinrich betrachtete die Gesichter der Anwesenden. Sicherlich gab es nicht einen unter ihnen, der in den vergangenen Wochen nicht einen oder mehrere seiner Angehörigen verloren hatte. Doch offenbar waren diese Menschen darum bemüht, dass der Alltag sie wieder einholte. Sie versuchten unverdrossen, ihrem Jammertal zu entfliehen.
    Er erspähte einen kleinen freien Tisch an der hinteren Wand des Raumes. Hier ließ er sich nieder und versuchte, den Lärm um sich herum zu ignorieren. Beim Wirt, einem rundlichen Mann mit rosigen Wangen und hektischen Bewegungen, bestellte er eine Fleischpastete mit Gemüse und einen Krug Bier. Ein freundlich dreinschauendes Schankmädchen servierte ihm nach einer Weile das Gewünschte; mit Genuss machte er

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