Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
Vom Netzwerk:
sehe, Ihr habt an alles gedacht. Weiter!«
    »Die Idee, Bruder Engelbert einen Huf und ein Paar Handschuhstulpen in die Truhe zu legen, war nur insofern gut, als dass Ihr wusstet, dass ich meine neugierige Nase dort hineinstecken würde. Glaubwürdig war das aber nicht sonderlich. Dafür habt Ihr dieses Märchen vom Teufel, der in Adams Todesnacht über den Korridor wandelte, ein wenig spät verbreitet, findet Ihr nicht?«
    »Schon möglich. Seid Ihr fertig?«
    »Nein. Nach Benutzung der Armbrust, mit der Ihr mich hattet einschüchtern wollen, hättet Ihr besser Eure Fingernägel gesäubert. Ist es nicht einleuchtend, dass man eine solche Waffe nicht in der kargen Zelle eines Novizen versteckt, wo man sie sicherlich schnell finden würde? Also verbuddelt man sie irgendwo. Das ist die beste Lösung.«
    »Ich hätte Euch umbringen sollen«, knirschte der Novize. »Beide!«
    Mathäus spreizte in einem Anflug von unendlicher Genugtuung die Hände. »Dafür ist es nun zu spät, Karsil.«
    »Vielleicht auch nicht«, zischte der Novize. Mit einer ansatzlosen Bewegung zog er den verbliebenen Bolzen aus seinem Köcher und spannte ihn in den Bügel. Dies geschah mit einer Schnelligkeit, die die beiden Männer auf der Treppe erstarren ließ. »Einen von euch Bastarden werde ich mit in die Hölle nehmen!«, schrie der Schütze.
    Heinrich gewann als Erster seine Fassung zurück. »Chlodwig, fass ihn!«, rief er geistesgegenwärtig. Doch schon schwirrte der Bolzen heran. Heinrich griff nach dem Wams seines Freundes und riss ihn mit einer nahezu brutalen Bewegung nach unten. Keinen Moment zu früh: Der Bolzen zischte an ihnen vorbei und traf krachend auf die weiß gekalkte Wand hinter ihnen, wo ein faustgroßes Loch entstand.
    Karsil stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus. Wie ein gehetztes Tier blickte er um sich, sah den riesigen Schatten, der auf ihn zustürmte. Chlodwigs Zähne schienen im flackernden Licht zu leuchten, gleich denen eines Ungeheuers. Zu seinem Entsetzen erkannte Karsil, dass der dämonenhafte Hund zum Sprung ansetzte. Er taumelte nach hinten, stolperte. Seine Armbrust polterte zu Boden, und in dem Moment, wo er Chlodwigs heißen Atem in seinem Gesicht spürte, schlug er mit seinem Hinterkopf gegen eine der steinernen Treppenstufen …
    Heinrichs Befehl ließ Chlodwig innehalten. Fassungslos starrten Mathäus und Heinrich auf Karsils leblosen Körper, dessen schreckensweite Augen bereits die Pforten der Hölle zu erblicken schienen.
    »Bei den Möpsen einer Elfe, was ist hier eigentlich los?«, trompetete plötzlich eine dunkle Stimme. Norbert von Kerpen stand, mit einem weißen Schlafgewand bekleidet, auf der obersten Stufe der Treppe und blinzelte schlaftrunken nach unten. Hinter ihm reckte sich der neugierige Lockenkopf einer Gespielin.
    »Was los ist?« Mathäus presste eine Hand auf sein noch immer rasendes Herz, als wolle er es auf diese Weise besänftigen. »Einem Mörder hat es soeben das Genick gebrochen!«

25
    P rior Anselm, den Mathäus nach der Prim selbst herbeigerufen hatte, schüttelte entgeistert den Kopf. Er weigerte sich, den Blick von dem toten Novizen, der immer noch in grotesker Verrenkung auf der steinernen Treppe lag, abzuwenden. Stumm lauschte er Heinrichs Bericht. Als dieser schließlich geendet hatte, wandte er der Leiche seinen Rücken zu.
    »Es tut mir Leid, ihr Herren«, stammelte Anselm kraftlos.
    »Was tut Euch Leid, Pater?«
    »Euch nicht vertraut zu haben.«
    Mathäus griff nach seiner Hand. »Schon gut, Pater. Der Mörder hat uns allen die Gedanken vergiftet. Auch ich hegte Misstrauen gegen Euch und Eure Mitbrüder. Jetzt ist mir klar, dass Ihr in Wahrheit fromme und gottesfürchtige Diener Gottes seid.«
    Anselm lächelte schwach. »Manchmal wünschte ich, dass meine Visionen Wirklichkeit würden«, erklärte er. »Warum fürchten wir uns bloß vor dem Jüngsten Gericht? Würde es uns in Gottes ewigem Reich nicht besser ergehen? Und hier, auf Erden? Homo hominis ursus! Ist es nicht so?«
    Heinrich räusperte sich. »Lupus, Pater.«
    »Wie?«
    »Es muss heißen: Homo hominis lupus! Der Mensch ist des Menschen Wolf! Nicht sein Bär!«
    »Ach so, richtig!« Anselm seufzte niedergeschlagen. Dann verließ er das Gästehaus mit kleinen Schritten. Sowohl die beiden Männer als auch Chlodwig folgten dem sinnierenden Mönch langsam bis zum Hof. »Jedenfalls bin ich mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass der Tag des Jüngsten Gerichts noch fern ist. Der Teufel hat noch

Weitere Kostenlose Bücher