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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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ebenfalls blaues Sweatshirt, seine Plastikpantoffeln an den Füßen sahen nach Woolworth aus. Erschütternderweise waren sie pink.
    »Ja?«, fragte er, ohne sich von der Tür fortzubewegen.
    »Wir müssen Sie dringend sprechen«, sagte Barbara.
    »Tut uns leid, dass wir noch einmal stören«, fügte Uplegger höflich hinzu.
    »Na ja …« Herr Schultz wirkte etwas ratlos und auch ungehalten, da man offenbar in seinen wohlverdienten Feierabend drang. Barbara mochte keine Steuerberater. Sie hielt sie genauso für Verbrecher mit legalem Anstrich, wie Rechtsanwälte und Immobilienmakler. Oder Anlageberater. Versicherungsvertreter. All diese Betrüger eben!
    Othello bellte, ließ sich aber nicht sehen. Ob man ihn auch im Bad eingesperrt hatte, so wie Uplegger von dem Hund der Dombrowskis berichtet hatte, Wotan hieß der wohl? Dann war es natürlich ein viel komfortableres Badezimmer, vielleicht sogar mit Whirlpool.
    Herr Schultz kam über den Plattenweg ans Tor. Diese Betonplatten waren eindeutig DDR, fiel Barbara jetzt erst auf. Nicht, weil sie grau waren, Beton kam ja generell nicht in rosigen Farben zur Welt – aber ein geschulter Blick sah es trotzdem sofort. Ein Ostbetonkopf, dachte Barbara, der erkennt doch seinen Ostbeton.
    Zwischen den Platten wucherte Gras. Anscheinend fand sich niemand, der es mit einem technischen Hilfsmittel, mit Gift oder durch Ausbrennen vernichtete. Herr und Frau Schultz mussten andere Lebensinhalte haben.
    Der Mann öffnete das Gittertor und trat beiseite, um den Weg freizumachen. In der Diele war nun auch seine Frau zu sehen, die Othello am Halsband festhielt. Er machte ein paar hilflose Bewegungen auf dem glatten Fliesenboden, die aussahen wie die eines Schwimmanfängers, und wedelte heftig mit dem Schwanz. Sein Interesse galt eindeutig Barbara.
    »Ich weiß nicht, was Sie mit ihm gemacht haben«, sagte Frau Schultz mit einem feinen Lächeln. »Wahrscheinlich verhext. Aber erst einmal, auch wenn es heute zum zweiten Mal ist: Guten Tag!«
    »Ja, Tach.«
    »Guten Tag«, sagte auch Uplegger. »Da Sie bei den Lateinamerikanisten gearbeitet haben, drängt sich mir eine Frage auf: Gibt es im Spanischen nicht die Möglichkeit, so etwas zu sagen wie Guten Nachmittag ?«
    Der nun wieder, dachte Barbara, dieser Chefempathiker, Kulturfuzzi und Oberhöfling mit seinem Sprachfimmel! Buenos tardes , dachte sie, sich ihrer »lateinamerikanischen Phase« erinnernd.
    »Sie meinen Buenas tardes – la tarde bedeutet tatsächlich Nachmittag oder früher Abend.«
    Othello zerrte. Sein Blick war auf Barbara gerichtet, aber nicht auf ihr Gesicht, sondern auf ihre Schuhe. Die dachte: Buenas statt buenos – knapp daneben ist auch vorbei.
    Herr Schultz schloss hinter ihnen die Haustür, Uplegger sagte: »Und am späten Abend sagt man …? Buona notte nicht, aber so ähnlich, oder?«
    »Buenas noches. Bu-o-na ist italienisch, bu-e-na spanisch. Vielleicht eine Lautverschiebung?« Sie hob die Schultern und öffnete die Arme. »Kann ich nicht beurteilen, ich bin keine Linguistin.«
    »Eine Lautverschiebung vom Italienischen zum Spanischen würde bedeuten, dass das Spanische vom Italienischen abstammt«, meinte Uplegger. »Die Basis ist doch aber Latein …«
    O Gott, jetzt geht das los! Barbara musste eingreifen.
    »Da haben Sie sicher recht. Wie gesagt, ich habe Bibliothekswissenschaften studiert und Spanisch quasi nebenher gelernt. Learning by reading and speaking. La noche, la tarde – das ist weiblich. Aber el día, der Tag, ist, obwohl mit A endend, männlich. Deshalb Buen os días.«
    »Mit einem Akzent auf dem I«, rief Uplegger emphatisch.
    Lautverschiebung, Akzente, dachte Barbara: Sofort eingreifen, aber wie?
    »Ja, mit einem Akut«, bestätigte Frau Schultz. »Der einzige Akzent im Spanischen.« Sie wirkte ziemlich glücklich, ja fast gerührt, einen so tollen und sprachverständigen Gesprächspartner gefunden zu haben.
    Barbara musste handeln. Aber der Riesenschnauzer kam ihr zuvor. Von ihrer Leidenschaft für die spanische Sprache erfasst, hatte Frau Schultz ihren Griff gelockert, sodass sich der nicht minder leidenschaftliche Othello befreien und auf Barbara stürzen konnte. Er sprang sie an, legte seine Pfoten auf ihre Schultern und drückte sie gegen den Garderobentisch, dessen Ecke sich in ihre Hüfte bohrte, doch war der Schreck größer als der Schmerz. Die beiden Körbchen, die auf dem Tisch gestanden hatten, eines mit Schlüsseln gefüllt, eines mit Visitenkarten, fegte sie zu

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