Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
Boden.
»Othello, aus!«, brüllte Herr Schultz.
Barbara dachte, dass der Hund vielleicht nicht nur wegen seiner Fellfarbe, sondern auch wegen seines Temperaments so heißen mochte.
Othello gehorchte und trottete zu Herrchen, der ihn aus dem Haus schaffte. Barbara lauschte in sich hinein: Ihr war nichts passiert, nur ihre Kleidung war derangiert – und im rechten Ellbogen summte es.
Herr Schultz schloss rasch die Tür.
»Ich mache uns einen Kaffee auf den Schreck«, sagte seine Frau. »Und du, Kai, du stelle doch mal eine Flasche Cognac auf den Tisch. Sie müssen wirklich entschuldigen!«
Barbara winkte ab, die Frau verschwand in der Küche. Kai Schultz führte sie in den Wintergarten. Draußen auf der Terrasse hockte schon Othello und starrte hinein.
»Alles in Ordnung?«, fragte Uplegger, während der Hausherr sich im Wohnzimmer an einem Schrank zu schaffen machte, den die wenig kenntnisreiche Barbara für Biedermeier hielt. Sie nickte. Othello starrte sie an. Er war in sie verknallt, keine Frage – zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren war wieder ein männliches Wesen in sie verliebt. Dass es ein Hund war, gefiel ihr nicht. Wäre es ein Männchen der Spezies Homo sapiens gewesen, hätte es ihr auch missfallen.
»Mag Othello eigentlich Katzen?«, fragte sie, laut genug, dass es Schultz hören konnte; außerdem kam der sowieso mit einer Flasche Rémy Martin Reserve Exclusive und vier Cognacschwenkern auf einem kleinen Tablett auf sie zu. Gleich würde sie in Schwierigkeiten geraten, denn sie hatte einen ungeheuren Appetit auf eine, irgendeine beliebige Spirituose, würde aber wohl ablehnen müssen. Oder konnte sie sich ein Gläschen in Ehren genehmigen?
»Er ist ganz wild auf Katzen.« Der Hausherr stellte die Flasche auf den Tisch, dann verteilte er die Gläser. Die Hausfrau brachte ein Stövchen und die Tassen.
»Sind das nicht alle Hunde?«, fragte Uplegger.
»Ich meinte: wild im Sinne von Zuneigung. Die Katzen, die sich in unseren Garten verlieren, wissen das allerdings nicht.« Für ein paar Lidschläge trat ein Lächeln auf sein Gesicht. »Sie haben wohl eine Katze?«, wollte Schultz von Barbara wissen.
»Einen Kater.«
»Das erklärt einiges«, meinte Frau Schultz. »Das riecht er natürlich.«
»Dacht ich mir’s doch.« Barbara zog zufrieden an ihrer Jacke.
Nachdem die Hund-und-Katze-Problematik durchdekliniert war, kam nun die Alkoholfrage auf sie zu. Herr Schultz wollte gar nicht wissen, ob sie überhaupt einen trinken wolle, sondern schenkte einfach ein. Und sie protestierte nicht. Uplegger warf ihr einen besorgt fragenden Blick zu, sie schüttelte begütigend den Kopf.
Nachdem sich alle an den runden, mit einer Glasplatte bedeckten Rattantisch gesetzt und Barbara registriert hatte, dass Othello sie nicht aus den Augen ließ, konnte sie endlich zur Sache kommen. Lenas Eltern wirkten nicht minder besorgt, nur aus anderen Gründen als Jonas.
Barbara trank erst einmal einen Schluck Kaffee, bevor sie begann: »Wir würden uns freuen, wenn Sie der Abgabe einer Speichelprobe für einen DNA-Vergleich zustimmen würden – wir könnten das sofort erledigen. Äh, nach dem Kaffee selbstverständlich …«
Herr Schultz hatte sein Cognacglas schon erhoben und wollte es gerade zum Mund führen, stellte es aber zurück auf den Tisch und schaute sie mit einer Mischung aus Furcht und Unverständnis an.
»Zum DNA-Vergleich?«
»Na, weil doch Blut in der Wohnung ist«, sagte seine Frau.
Er nickte. »Ja, natürlich. Verzeihung, ich bin etwas …«
»Es handelt sich nicht mehr nur um das Blut«, sagte Uplegger mit gesenktem Kopf.
Herr Schultz riss die Augen auf. »Nicht?«
»Wir müssen Ihnen mitteilen, dass inzwischen Lei… menschliche … na ja, Körperteile aufgetaucht sind.«
»Menschliche Körperteile?« Herr Schultz verstand jedes Wort akustisch, aber alles in ihm sperrte sich, ihren Sinn zu erfassen. Lenas Mutter gab ein Geräusch von sich, ein unterdrücktes Schluchzen – oder einen Würgelaut.
»Wissen Sie«, sagte Barbara, »aus verschiedenen Gründen können wir gar nicht sagen, ob es sich dabei um …«, Senken der Stimme, »… um Lena handelt.« Stimme etwas heben: »Wir brauchen die Speichelprobe auch, um das eventuell auszuschließen.«
»Was sind das für Gründe?«
»Das möchten Sie gar nicht wissen.«
Für ein paar Sekunden wurde es so still, dass man die Regentropfen auf dem Vordach über der Terrasse hören konnte, und der Regen war nicht mehr sehr stark. Dann schoss
Weitere Kostenlose Bücher