Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
kennt. Trotzdem habe ich es durchgelesen, so ungefähr bis 23 Uhr. Danach war ich noch zirka anderthalb Stunden online.«
»Sie haben Internet?«, fragte Barbara überrascht.
»Warum denn nicht?« Er lachte, wohl weil ihr die Irritation anzusehen war. »Ich bin doch kein Opa. Obwohl, viele Rentner haben’s doch auch.«
»Und welche Internetseiten haben Sie besucht?«
»Eine Kennenlernseite. Nichts mit Sex oder Porno, kein Schmuddelkram – Sie sehen aus, als würden Sie das denken. Nee, ich hab’s schon gesagt, ich suche was zum Kuscheln.«
»Wie heißt die Seite?«
»Schmetterlinge im Bauch«, sagte er, mit einem fast verschämten Lächeln.
Uplegger hatte Kaffee beschafft für Drewniok, der inzwischen viel von seiner Überlegenheit eingebüßt hatte. Nun beobachtete er seinen Zeugen, während er selbst schlürfte und überlegte, ob dieser Mann wohl fähig war, so vertraut mit einer jungen Frau wie Lena Schultz zu werden, dass sie ihn in die Wohnung gelassen hätte. Uplegger hatte sich die Filmsequenz noch einmal angeschaut: Das Verhalten des Opfers sprach für Vertrauen. Hätte Lena einem solchen Menschen vertraut? War sie in Lokale gegangen, die dieser Mann aufsuchte? Hier galt es anzusetzen.
»Herr Drewniok, erzählen Sie mir bitte über Ihre Stammkneipen.«
Drewniok schaute kurz zum Fenster. »So richtig Stammkneipen hab ich nicht. Ich kehr mal hier und mal da ein. In Lütten Klein, meine ich. Ich geh selten woanders hin.«
»Dann zählen Sie trotzdem auf, wohin Sie so gehen.«
»Mal Knöterich, mal Null Acht 15 , das ist in der Riga Passage , oder auch in dat Ding da auf’m Boulevard, in der Nähe der Mehrzweckhalle … wie heißt das denn?« Uplegger zuckte mit den Schultern. »Ach so, ja, Zum Litfaß … und dann noch Bierstube Stettin in der Stockholmer … Hängt auch immer bisschen von ab, wie ich Geld hab.«
»Sind Sie allein bei diesen Touren?«
»Mal so, mal so.«
»Wer kommt denn öfter mit?«
»Na ja«, Drewniok wirkte etwas ratlos, »mal der, mal der. Ich mein, wer grad Lust hat oder Durst, nich? Und Kohle, wobei wir auch manchmal ausgeben. Aber paar kriegen nix mehr, die zahlen nie zurück.«
»Wenn Sie ein paar Namen hätten …«
»Regi, Dieter und Würstchen sind oft dabei. Auch Carol und Mäckie.«
»Würstchen?«
»Eigentlich heißt er Jürgen. Wir nennen den aber so, weil er immer ’ne Packung Würstchen inner Tasche hat. Der frisst echt rund um die Uhr nur Würstchen!«
»Wenn es an Geld mangelt oder vielleicht auch nur, wenn das Wetter gut ist, treffen Sie sich aber auch auf der Straße?«, wollte Uplegger wissen.
»Auf’m Boulevard. Wo Bänke sind. Bier holen wir aus’m Netto oder vom Marktkauf .«
»Und härtere Sachen?«
»Na, klar. Wir trinken alles.«
»Verstehe.« Für einen Moment dachte Uplegger an Barbara. »Ich habe gehört, dass Sie bei schlechtem Wetter auch Zuflucht in den Eingangsbereichen der drei Hochhäuser suchen?«
»Kommt vor. Bei meinem Hochhaus sind wir ’ne Zeitlang auch reingegangen, in den Bereich, wo die Briefkästen sind, aber nu gibt’s diese Konziersch oder wie dat heißt. Wir gehen da jetzt nicht mehr rein, weil wir keinen Ärger wollen. Manchmal stehen wir dann vor der Tür. Da ist so’n kleines Dach drüber, also man wird nich nass und weht nich wech.«
»Und vor welchen Hochhäusern stehen Sie?«
»Vor allen dreien. Manchmal beschweren sich Leute, dann gehen wir eben zu einem anderen.«
»Sie weichen dem Ärger aus, Herr Drewniok? In Ihren Akten liest sich das aber anders.«
»Man wird eben ruhiger mit dem Alter.«
»Gott, Sie sind 31! Sie produzieren noch genug Testosteron.«
»Wat?«
»Schon gut.« Uplegger winkte ab. »Sie stehen also auch vor dem Hochhaus der WBG Waterkant ? Oft?«
»Kann man so nicht sagen.«
»Gut.« Uplegger nahm eine Fotografie aus der Mappe und legte sie auf den Tisch. »Kennen Sie diese junge Frau?«
Drewnioks Gesicht entfärbte sich. Aber er schüttelte den Kopf.
Barbara hatte ihre Befragung unterbrochen, weil sie eine SMS von Ann-Kathrin erhalten hatte. Die Spurensicherung hatte in Lenas Unterlagen den Drohbrief gefunden. In Ann-Kathrins Arbeitszimmer, das diese mit dem Lorbass teilte, saß Manfred Pentzien an Lutzes Schreibtisch. Dass der Spusi-Chef sich persönlich bemüht hatte, unterstrich die Bedeutung des Fundes.
»Wo ist der Brief?«, fragte Barbara, kaum dass sie die Tür geschlossen hatte.
»Nach wie vor im Labor.« Pentzien stutzte und lauschte seinen eigenen Worten nach,
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