Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
sieben rote Civics älterer Bauart gab es in Lütten Klein, Lichtenhagen, Schmarl und Lichtenhagen-Dorf. Daniel Morbacher gehörte nicht zu den Haltern. Sie würde die Anfrage beim Bundesamt um blaue Fahrzeuge erweitern müssen.
Derweil erteilte ihr Kollege den Druckbefehl. »Sollte heute nicht der Obduktionsbericht kommen?«
»Nur der vorläufige.« Barbara seufzte noch lauter. Sie hatte sich die zweite Übersicht vorgenommen, die über Lenas Facebook -Freunde informierte. Beim Überfliegen bekam sie sofort schlechte Laune. Vorläufiger oder endgültiger Bericht hin oder her, eines stand bereits fest, deshalb hatte der Mann ohne Eigenschaften gestern Abend extra noch angerufen: Die Körperteile aus der Restmüllaufbereitung ergaben als Puzzle eine, wenn auch kopflose, Lena Schultz. Obwohl erst eine DNA-Untersuchung aller Zweifel ausräumen konnte, hatte Dr. Geldschläger von der Rechtsmedizin bei der ersten Inaugenscheinnahme charakteristische Merkmale festgestellt: eine schlecht verheilte Blinddarmnarbe mit wucherndem Narbengewebe, die Narbe einer Bruchoperation, ein schmetterlingsförmiges Muttermal an der linken Schenkelinnenseite, und beim Durchleuchten war ein gut verheilter Bruch des linken Schienbeins zu Tage gekommen. Ein kurzes Telefonat mit den Eltern hatte ausgereicht, diese Merkmale Lena zuzuordnen.
Barbara raschelte mit der Facebook -Liste.
»Was meinen Sie, müssen wir all diese Freunde aus dem sogenannten sozialen Netzwerk überprüfen? Wobei ich Freunde gern in Anführungszeichen setzen würde. Bei sozial bin ich auch nicht so sicher – immerhin kann man mit Facebook ja Revolutionen auslösen.«
»Na, das stimmt wohl nicht ganz. Die Revolutionen müssen schon irgendwie in der Luft liegen.«
»Sie meinen, es muss eine revolutionäre Situation bestehen? So hieß das damals in der sozialistischen Schule …«
»Und werden bei einer Revolution nicht die Besitzverhältnisse umgestoßen?«
»Oh, das wissen Sie noch!«
»Ist doch so? Dann ist der Arabische Frühling keine Revolution. Es werden Machthaber durch neue Machthaber ersetzt, aber das System bleibt im Wesentlichen unangetastet.«
»Tja, so ist das wohl. Also, sollen wir alle Freunde aus dem virtuellen Raum überprüfen?«
Uplegger zuckte mit den Schultern. Er wartete auf den Drucker, der Drucker wartete auf nichts.
»Na ja …« Barbara widmete sich der Liste, wurde bei einem Namen stutzig, dachte nach: Wer war Brunkenhagen?
»Wenn das so weiter geht, schenke ich der Dienststelle zu Weihnachten einen neuen Drucker«, schimpfte Uplegger.
»Sie schenken ihr doch schon Freizeit«, murmelte Barbara vor sich hin. Begann ihr Kurzzeitgedächtnis sich aufzulösen? An den Theaterjugendklub und an Carlos Medina und sogar an die Betonungsregeln der spanischen Sprache erinnerte sie sich wieder, aber nicht mehr an Brunkenhagen, dabei war dieser Name doch unlängst gefallen! Verdammt, kam schon Herr Alzheimer?
»Wissen Sie noch, wer Brunkenhagen war?«
»Ein Fleischermeister bei der Tweel?«
»Quatsch! Hier, bei Lenas Freunden … es sind sogar zwei! Lars und Sophia …«
»Das waren doch Mitschüler von Lena. Aus der gleichen Klasse. Sie haben geheiratet.«
Barbara fasste sich an die Stirn. »Natürlich! Mit denen hat sie also noch Kontakt gehabt.« Sie unterstrich die Namen mit Rotstift.
Uplegger wiederholte den Druckbefehl. »Ich glaube nicht, dass von den Internetfreunden eine Gefahr für Lena ausging. Sie war dort als Miriam mit falscher Identität unterwegs und hatte obendrein noch ihre IP verschleiert … Wir hätten die Eltern fragen sollen, warum sie das gemacht haben könnte. Und ob sie selbst überhaupt in der Lage dazu war. Kann doch sein, dass ihr ein IT-Spezialist geholfen hat. Den würde ich gern kennenlernen.«
»Und ich würde gern wissen, was es mit den vielen Männern in den Tagebüchern auf sich hat.« Barbara langte nach dem Telefonhörer. »Und was diese Tagebücher generell sind: Wahrheit oder Traum? Hat sie selbst dort mit erfundenen Rollen gespielt? Genauer gesagt, mit einer Mischung aus realen und erfundenen? Denn einige Eintragungen stimmen anscheinend mit der Wirklichkeit überein, vorausgesetzt, es gibt eine Realität.«
Uplegger blickte sie skeptisch an.
»Sie meinen, dass Lena sich etwas vorgemacht hat in ihren Tagebüchern? Die sind doch etwas Intimes, warum sollte man sich in ihnen selbst belügen?«
»Weil sie ein Star werden wollte. Ich könnte mir vorstellen, dass sie die Tagebücher mit Blick auf die
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