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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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Nachwelt verfasst hat. Je mehr scheinbar Intimes sie ausbreitet, desto größer die Lüge.« Barbara hob ihren Hörer und wechselte ein paar Worte mit dem Empfang. Nachdem sie aufgelegt hatte, stand sie entschlossen auf. »Vergessen Sie Odysseus! Die für zehn Uhr vorgeladenen Personen sind da.«
    Uplegger und Barbara fuhren im Lift zur Wache, um Christian Drewniok und Volker Groenewald abzuholen; wer wen vernehmen würde, hatten sie schon kurz nach Dienstbeginn ausgehandelt. Da einer der Fahrstühle schon wieder blockiert war für den Transport von Umzugsgut, fuhr Uplegger als Erster mit Drewniok zurück. Für ihn war Vernehmungsraum 1 reserviert. Drewniok hatte schon so oft mit der Polizei zu tun gehabt, dass er den durch nichts zu erschütternden Eingeweihten spielte, der alle Bullentricks kannte. Er tat so unendlich lässig und kam sich so überlegen vor, dass es Uplegger vor Abneigung den Hals zuschnürte. Trotzdem blieb er auf seine gewohnte Art freundlich und öffnete ihm die Tür.
    Wie 31 sah dieser Zeuge nicht aus. Weniger die hinter Gitter verbrachten Jahre als vielmehr der Alkoholmissbrauch hatten sein Gesicht rasch altern lassen, die tiefen Falten sprachen eher für einen über 40-Jährigen. Er war spindeldürr, trug Jeans, ein wattiertes Holzfällerhemd und namenlose grau-blau-grüne Turnschuhe.
    Drewniok lümmelte auf dem Stuhl, während Uplegger gottgleich Berge schuf: Aktenberge. Sie bildeten praktisch eine Schutzmauer, dienten aber auch dem Zweck, zu beeindrucken. Die wichtigsten Informationen waren auf zwei gesonderten Blättern zusammengefasst, die in einer Vorgangsmappe steckten. Diese Mappe schlug Uplegger auf und lächelte sein Gegenüber an. »Na, Herr Drewniok?« Das war alles.
    Drewniok grinste. Drewniok zwinkerte mit den Lidern – ein alkoholismusbedingter Tic? Oder war er nervös? Das Grinsen wurde immer blöder. Er war ja so gewieft, doch ein schlichtes »Na, Herr Drewniok?« brachte ihn aus dem Konzept – weil er nicht wusste, wie man eine solche Frage beantworten sollte. Nach einer Weile des Grinsens und Blinzelns sagte er: »Mir geht es gut.«
    Uplegger lehnte sich mit verschränkten Armen zurück: »Nö.«
    »Was?« Drewniok wurde erstaunlicherweise rot.
    Uplegger schwieg.
    Der andere wurde lauter: »Was denn?«
    »Ich glaube nicht, dass es Ihnen gut geht.«
    »Aber«, heftiges Blinzeln, »ich hab doch alles.«
    »Was haben Sie?«
    »Bude, Geld …«
    Uplegger machte seine Stimme scharf: »Sie haben Geld?«
    »Na ja, Hartz IV«, räumte Drewniok kleinlaut ein.
    »Also können Sie keine großen Sprünge machen. Und das Geld geht doch wohl für Alkohol drauf? Sie haben keine Frau, Drewniok!«
    »Doch. Immer mal ’ne andere …« Noch kleinlauter.
    »Nicht eine! Das sehe ich sofort.«
    »Aber logisch habe ich Weiber. In jeder Kneipe wartet eine.«
    »Unsinn!« Uplegger beugte sich ein wenig vor. »Wann hatten Sie zum letzten Mal Sex?«
    Christian Drewniok zuckte zusammen. Das Grinsen war längst erstorben, aber die Lider flatterten wie verrückt.
    »Vorgestern«, log er.
    »Mit wem?«
    »Na, mit ’ner Frau, was denken Sie denn?«
    »Name?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Ich glaube Ihnen kein Wort. Also, wann hatten Sie zum letzten Mal Sex?«
    »Ich hab doch … außerdem geht Sie das gar nichts an.«
    »Bei einem Frauenmord?« Uplegger legte die Hände flach auf den Tisch. »Und ob mich das etwas angeht.« Sein Ton wurde noch einmal schärfer. »Wann hatten Sie zum letzten Mal Sex?«
    »Noch nie«, gab Supermännchen zu, in den Äuglein Tränen.
    Volker Groenewald war ein Mann, den man einen alternden Beau nennen konnte. Beau war ein schönes Wort, von dem Barbara annahm, dass es keiner der unter 40-Jährigen mehr kannte, aber die kannten sowieso keine schönen Worte mehr in ihrer zeit- und wohnbereichsnahen, nachhaltigen und sozialverträglichen Netz-Welt. Groenewald hatte als vermutlich schmucker Jüngling Ende der 70-er den Beruf des Schornsteinfegers erlernt, was weder ihm noch anderen Glück gebracht hatte. Zweimal innerhalb eines Tages hatte er eine Feuerstättenüberprüfung ausgenutzt, um Frauen zu vergewaltigen. 1985 hatte ihn das Bezirksgericht Rostock zu zehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt, 1990 hatte der Bundesgerichtshof das Urteil aus formalen Gründen aufgehoben. Volker Groenewald blieb keine 48 Stunden frei: Er feierte in der Storchenbar , die sich damals noch in der Langen Straße befand und einen überaus zweifelhaften Ruf hatte, lernte eine Frau mit demselben Leumund

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