Moerder Im Gespensterwald
obendrein noch nummeriert waren. Waffen gab es nicht zu sehen.
Eidsvag war in seinem Element. Ein Teil des Ateliers war vom Arbeitsraum abgeteilt, durch einen Lamellenvorhang, der sich mittels einer Fernbedienung betätigen ließ. Dahinter kamen drei fahrbare Kleiderständer zum Vorschein, an denen Uniformen hingen, teilweise ungebrauchte, viele aber beschädigt. Doch auch sie sahen aus, als hätten sie eine gründliche Reinigung hinter sich.
»Besitzen Sie weitere Stücke aus der Nazizeit?«, wollte Uplegger wissen. Eidsvag brummte etwas, das Zustimmung sein konnte, also hakte er noch einmal nach: »Ich meine, außer dem Wehrmachtsdolch?«
»Die Wehrmacht stand außer die Nazis«, sagte Eidsvag.
»Das ist sowohl sprachlich als auch inhaltlich nicht ganz korrekt. Also, wie ist es?«
»Zwei Uniformen mit dem Sonnenkreuz«, räumte der Künstler zähneknirschend ein.
»Sie meinen das Hakenkreuz?«
»Nein, Sonnenkreuz. Das Symbol der Nasjonal Samling von Vidkun Quisling. Die norwegischen Nationalen aus damals, verstehen Sie? Eine Parteiuniform und eine Hirdens uniform .«
»Was ist … war das?«
»Von der Parteimiliz.«
»Ach, eine Art norwegische SA oder SS?«
»Nein, die SS war extra. Norges SS. Ab 1942 Germanske-SS Norge . Aber ich sammle das bloß, ich bin kein … Und SS sowieso nicht.«
Schon zuvor hatte Eidsvag erklärt, seine Leidenschaft sei rein künstlerisch, aber Uplegger hegte daran ernste Zweifel. Kleine Jungen spielten gern Schießen – manche auch Massenmord –, und vielleicht fütterte er das Kind im Manne. Die Stücke aus Metall, die aus dem Zweiten Weltkrieg zu stammen schienen, ließen ihn an illegale Sondengänger denken. Und auch die im Nienhäger Holz gefundene Kartentasche mit der Anleitung für Militärkraftfahrer der Volksarmee hätte Eidsvag bestimmt Freude gemacht.
»Möchten Sie die Uniformen sehen?«
Es war Barbara, die vehement den Kopf schüttelte.
»Zeigen Sie uns lieber die Militärorden«, sagte sie, nicht weil sie Orden mochte, sondern weil ihn das Interesse an solchen obskuren Stücken mit Wagenbach zusammengeführt hatte. Man kehrte in das Haus zurück, und Eidsvag verschwand in einem Nebenzimmer. Barbara trat vor den Glasschrank mit den Münzen und wandte sich dann kopfschüttelnd an Uplegger: »Fragen Sie doch mal das Internet nach diesem schwedischen Neonaziforum, bei dem auch der Massenmörder von Oslo angemeldet war.«
»Sie wollen wissen, wie es heißt?«
»Jo.«
Uplegger hantierte mit dem Smartphone, doch inzwischen war Eidsvag zurück. Auf beiden Händen trug er, einem heiligen Gegenstand gleich, eine rote Kassette, die er sacht auf den Tisch stellte. Er öffnete den Deckel und nahm eine Art Palette aus rotem Samt heraus, auf dem er seine Devotionalien präsentierte. Anfangs widerwillig, dann aber mit wachsender Begeisterung erklärte er die einzelnen Exemplare, wobei es sich nicht nur um Militaria handelte: Ritterkreuz, Eichenlaub und Schwerter zum Ritterkreuz, EK 1 und EK 2 von 1939, Wiederholungsspange zum Eisernen Kreuz 1. Klasse von 1939, Abzeichen des Reichsluftschutzbundes, Mutterkreuz. Barbara sah nur, was sie sehen wollte, nämlich Hakenkreuze.
»Woher haben Sie das?«
»Im Internet gekauft. Oder auf Tauschbörsen.«
»Und auf einer solchen Tauschbörse in Bad Doberan haben Sie vor zwei Jahren Wagenbach kennengelernt?« Er nickte. »Dort wird aber nicht nur getauscht, sondern auch ge-und verkauft?« Erneutes Nicken. »Auch Sie handeln damit?«
»Ja, manchmal.«
War Eidsvag wirklich so naiv oder unwissend, wie er sich stellte? Oder hatte er es faustdick hinter den Ohren? Wie auch immer, Barbara würde ihm die Augen öffnen. Bevor sie es tat, warf sie einen fragenden Blick zu Uplegger, der ihn zu deuten wusste: »Das Forum heißt www.nordisk.nu .«
Sofort spannte sich Eidsvags Körper, also kannte er es.
»Was ist …?«, begann er.
Barbara winkte ab. »Später, Herr Eidsvag. Zuvor halte ich Ihnen einen kurzen Vortrag. Der Handel mit Nazi-Devotionalien ist in Deutschland verboten. Sie dürfen all diese Sachen in einer hübschen Kassette aufbewahren, und Sie können sich in Ihren vier Wänden davor verneigen oder auf den Boden werfen. Aber Sie dürfen keinen Handel damit treiben. Sie nicht und niemand sonst. Ich verlange von Ihnen daher die Namen aller Personen, die Ihnen solchen Nazi-Krempel angeboten haben. Nicht nur verkauft, sondern angeboten!«
»Ja, aber … im Internet haben sie doch Nicknames! Und auf den Börsen … die stellen
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