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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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wusste sie nicht mehr, ob es schon in ihrer Kindheit existiert hatte.
    »Ein Schiffbauer namens Kranbauer«, murmelte sie vor sich hin. Sie spürte, dass ihr Kollege diesen Faden gern aufgenommen hätte, und machte ein böses Gesicht.
    Uplegger parkte hinter einem dunkelblauen Audi mit Schweriner Kennzeichen, an dessen Lenkrad ein breitschultriger Endvierziger mit kurzem Haar saß und etwas aus einem Pappkarton aß. Er wandte sich um, nickte, stellte den Karton auf den Beifahrersitz und stieg aus. Die Rostocker taten es ihm gleich. Barbara zog ihr frisches weißes XXL-Shirt zurecht, legte die Lederjacke um die Schultern und nahm die Umhängetasche vom Rücksitz. Tizian kam auf sie zu.
    »Moin! Gute Fahrt gehabt?«
    »Geht so.« Barbara warf die Tür. »Warten Sie schon lange?«
    »Vielleicht eine halbe Stunde. Ich habe mir die Zeit mit Radio und Chinapfanne vertrieben.« Er reichte erst ihr, dann Uplegger die Hand. »Euer Vier-plus-eins-Mord ist dauernd in den Nachrichten. Da wird die Öffentlichkeit heftig mitermitteln.«
    »Wir mussten sechs Leute abstellen, um am Telefon die Spreu vom Weizen zu trennen.«
    Der Freizeitmaler trat vor die Haustür. »Viele Spinner und Wichtigtuer?«
    »Fast nur.«
    »Ja, so ein Mehrfachmord ist ein gefundenes Fressen für die Medien und die Irren, was ja manchmal das Gleiche ist.« Tizian zauberte einen kleinen Schlüsselbund hervor. »Den haben wir aus Kranbauers Hosentasche. Eines der wenigen unversehrten Stücke.« Er öffnete die Haustür und ging voran in ein enges, dunkles Treppenhaus.
    »Hat Kranbauer Angehörige?«, fragte Uplegger, während sie in den ersten Stock stiegen.
    »Einen Sohn, 41 Jahre alt, wohnt in Schwerin. Dort betreibt er eine kleine IT-Firma. Als er von dem Brandanschlag hörte, erlitt er einen Zusammenbruch.«
    »Also ist er in einer Klinik?«
    »Nein, das wollte er nicht. Ein Notarzt spritzte ihm das übliche Zeug. Vorgestern Nachmittag hat er seinen Vater noch besucht, mit Kuchen.« Tizian riss das Siegel von einer rostbraun gestrichenen Tür und schloss auf. »Handschuhe braucht ihr nicht, wir sind mit durch.«
    Aus der Wohnung schlug ihnen Altmännergeruch entgegen, der Mief von ungewaschener Wäsche, am Geschirr klebender Essensreste, von Einreibemitteln und schweißgetränkten Schuhen. Bereits in der Diele herrschte ein heilloses Durcheinander, was wohl nicht nur auf das Wirken der Kriminaltechniker zurückzuführen war. Die an der Wand befestigte Garderobe quoll über von Kleidungsstücken, etliche lagen auf dem Boden. An den Wänden waren Pappkartons gestapelt, allesamt beschriftet mit einer Art Hieroglyphe. Tizian lupfte einen Deckel und brachte mehrere Dutzend Faustkeile zum Vorschein.
    »Wir wissen jetzt mehr über Kranbauer«, sagte er, »zum Beispiel, dass er von 1976 bis 1988 im hiesigen Kulturbund die AG Schifffahrtsgeschichte geleitet hat, und auch bei den Ur-und Frühgeschichtlern hat er sich getummelt. Und was ich besonders interessant finde: Kranbauer hat als ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger gewirkt.« Mit der Zeigefingerspitze stieß er eine angelehnte Tür auf. Dahinter befand sich ein winziges Schlafzimmer, und der Geruch nach Alter, Einsamkeit und Verzweiflung nahm zu. Das Bett war ungemacht und wirkte ebenso schmutzig wie der am Boden liegende Schlafanzug. Nur bei den Büchern auf dem Regal, das eine ganze Wand einnahm, herrschte fast militärische Ordnung. Die Regalfächer waren sogar beschriftet: Ur-und Frühgeschichte Norddeutschlands, Die Slawen, Geschichte Mecklenburgs, Schiffahrt und Schiffbau (Schiffahrt noch nicht mit drei F), Archäologie & Denkmalpflege, Schöne Literatur. Numismatisches kam nicht vor.
    Der nächste Raum war das Wohnzimmer. Couch, Sessel und Teppich waren verschlissen, die Tapete vergilbt, um die Lichtschalter hatten sich schwarze Schmierflecken gebildet. Überall standen Kartons mit Hühnergöttern, Feuersteinen und Tonscherben herum, ebenfalls mit seltsamen Schriftzeichen versehen, auf die Barbara nun deutete: »Ich wüsste zu gern, was das bedeutet.«
    »Ich weiß es.« Tizian ging in die Knie und zog das schwarze Gehäuse einer Reiseschreibmaschine unter einem Schrank hervor. »Er hat Listen getippt, auf dieser ollen Erika . Die Kürzel sind sein eigenes Verschlüsselungssystem für Fundort, Funddatum und Fundsituation. Wir werten das gerade aus.«
    Uplegger runzelte die Stirn. »Wozu hat er denn ein solches System gebraucht?«
    »Vielleicht hat es ihm einfach Spaß gemacht.«
    »Die Briefe ans

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