Moerder Im Gespensterwald
Stockholmer Museum wurden auf einem PC geschrieben«, überlegte Barbara. »Ich habe keinen gesehen.«
»Es war auch keiner da.«
»Und ein Telefon?«
»Nur ein Handy. Das haben wir natürlich mitgenommen.«
»Der Mann schreibt auf einer Schreibmaschine und hat kein Festnetz?«
»Vielleicht«, sagte Uplegger, »hat sein Sohn das Telefon besorgt.«
»Und keinen PC? Wo der doch in der IT-Branche ist?«
Tizian hatte sich wieder aufgerichtet und beide Schranktüren geöffnet. Auf der einen Seite lagen wie hineingeworfen Pullover, Hemden und Socken, auf der anderen Papiere, Broschüren und kleinere Kartons. Ein weiterer im obersten Fach war ziemlich groß und höchst interessant. Er gehörte zu einer 26-cm-Sonde, die laut Tietze optional zum Lorenz Deepmax X3 Set erhältlich und bei der Nutzung dieses Detektors für die Ortung von kleinen Metallteilen vorgesehen war. Auch Kranbauer war offenbar Sondengänger.
»Wo ist das Gerät dazu?«, wollte Barbara wissen.
»Der Karton ist leer. Auch in Boltenhagen war nichts.«
»Mist!« Barbara hätte sich am liebsten in einen der Sessel gesetzt, aber er machte keinen einladenden Eindruck. »Gibt es hier Einbruchsspuren?«
»Keine.«
»Ich nehme an, dass Kranbauer nicht vernehmungsfähig ist?«
»Im künstlichen Koma? Das würde mich wundern.« Tietze schloss den Schrank. »Ich habe einen Kollegen nach Lübeck geschickt. Mit einem Aufnahmegerät. Aber wenn wir überhaupt etwas von Kranbauer kriegen, werden es wohl seine letzten Worte sein.«
***
Eine Befragung der Nachbarn hatte ergeben, dass Kranbauer keinen Wohnungsschlüssel bei ihnen deponiert hatte. Barbara war nicht überrascht, der Mann schien ein ausgesprochener Eigenbrötler zu sein. Das Verschwinden der Zigarrenkiste mit den Münzen, der Lorenz -Sonde und womöglich des PC ließen es ihr geraten erscheinen, Kranbauers Sohn unter die Lupe zu nehmen, und zwar vor Ort. Ein Kollege von Tizian war bereits auf dem Weg zu ihm. Tietze wollte die Wartezeit in einem Café verbringen, Barbara kündigte an, sich die Beine vertreten zu wollen – was in Wahrheit bedeutete, dass sie nach einem Spirituosenladen suchen wollte. Auf der Treppe fiel ihr ein, dass Sonntag war. Aber ob Spätverkauf oder Tankstelle: Alkohol bekam man immer.
Tietze machte sich zu Fuß in Richtung Altstadt davon, während Uplegger in den Wagen stieg. Er hatte einen Laptop dabei, auf dem er die vorhandenen Fotos aller mehr oder minder Tatverdächtigen gespeichert hatte. Vielleicht erkannte einer der Zeugen in Boltenhagen jemanden wieder. Es war wenig wahrscheinlich, aber einen Versuch wert. Seine Einladung mitzukommen, hatte Barbara nochmals abgeschlagen: Mit Boltenhagen verband sie besonders schreckliche Erinnerungen, und in der Bahnhofstraße wähnte sie sich auf einigermaßen neutralem Gebiet. Sehr weit würde sie sich nicht entfernen, eher verzichtete sie auf den eigentlich notwendigen Schluck.
Doch schon nach wenigen Metern knickten ihre Beine ein: Gegenüber einem heruntergekommenen Speicher zweigte die kurze Straße zum Friedhof ab, und dort lag ihr Vater. Genauer gesagt, er hatte dort gelegen, denn dass jemand für eine zweite Liegezeit bezahlt hatte, war zweifelhaft. Ihre Mutter jedenfalls war nicht fähig, derartige Dinge in die Hand zu nehmen, denn dafür trank sie viel zu viel.
Schnaufend sah sich Barbara nach einer Sitzgelegenheit um. Es gab keine, und all ihren Mut zusammennehmend wagte sie ein paar weitere Schritte. Niels-Stensen-Weg. Ihr Puls raste, Magensäure stieg die Speiseröhre hinauf und brannte am Kehlkopf. Fast jeden Sonntag, wenn der Vater seinen Frühschoppen absolvierte oder sich bei einem Skatturnier zutrank, hatte sie die Mutter hierher begleiten müssen, denn die letzten Ruhestätten irgendwelcher Verwandter mussten gepflegt werden; über verwilderte Gräber zerriss sich halb Grevesmühlen das Maul, also wurde einmal in der Woche nicht bloß Unkraut gezupft, sondern es wurden auch Muster um die Parzellen geharkt, Rauten, Spiralen, Kreise. Damals, da war Barbara fast sicher, hatte die Straße anders geheißen.
Der Gehweg war gepflastert, trotzdem hatte sie das Gefühl, jeden Moment versinken zu können. Die Kirche neben dem Friedhofseingang war neu, ein Bau aus Beton und roten Ziegeln, mit weit vorkragendem Dach und einem blendend weißen Glockenturm.
Einen Schritt und noch einen, dann wurde ihr plötzlich schwarz vor den Augen.
»Barbara!«, rief jemand. Ein Mann. Eine Stimme aus der Vergangenheit? Vielleicht ein
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