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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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Seite wirkte ein riesiger Wintergarten wie ein Tropenhaus, da allerlei Hartlaubgewächse seine Glasfront undurchsichtig machten. Neben der breiten Auffahrt stand ein großes weißes Schild, dem zu entnehmen war, dass man von hier aus Geschäfte betrieb. Schöner Wohnen GmbH & Co. KG Dipl.-Ing. (FH) Martin Dünnfelder, stand dort und darunter der bereits bekannte Spruch Immobilien sind Vertrauenssache sowie die Namen der Säulen eines regelrechten Imperiums: Küstenbau Ferienhaus GmbH, Stilvoll leben OHG, NBU Nienhäger Bau Union.
    Leicht verschämt parkte Barbara ihren Golf, denn im Carport stand ein Wagen aus einer anderen Liga: ein silberfarbener Jaguar. Auch das gelbe Gefühl von Missgunst konnte sie nicht ganz verleugnen. Am Anfang einer Ermittlung pflegten Kriminalbeamte 26 Stunden am Tag zu schuften, und trotzdem kam sie auf keinen grünen Zweig. Windige Unternehmer dagegen – und in Momenten des Neids waren alle Unternehmer windig – brachten es mit heißer Luft zu Villen, Jaguaren und englischem Rasen.
    »Na ja«, führte Barbara ihre Gedanken laut fort, bevor sie an der Wechselsprechanlage läutete, »wir werden nie so wohnen, aber wir machen auch nicht bankrott.«
    »Wen meinen Sie damit? Sich und mich – oder die kleinen Leute im Allgemeinen?«
    »Polizisten.« Sie drückte den Knopf.
    »Aber Privatinsolvenzen kann es auch …«
    »Ja, bitte?«, unterbrach eine Frau mit tränenreicher Stimme.
    »Riedbiester und Uplegger. Kriminalpolizei Rostock.«
    »Endlich.« Ein Summen ertönte, und die Gartenpforte sprang auf.
    Uplegger runzelte die Stirn. »Wieso endlich? Hier sind doch garantiert schon Kollegen gewesen …«
    Barbara zupfte schweigend ihr feuchtes Kleid zurecht und betrat den Betonweg zum Haus. Der Regen hatte aufgehört.
    In der Flügeltür zum Vorgarten erschien eine Frau von Anfang dreißig, deren Kleidung so gar nicht zur luxuriösen Umgebung passte. Sie trug einen blauen Trainingsanzug mit weiß-roten Applikationen auf Brust und Schultern, die Hosenbeine waren ausgebeult. An den bloßen Füßen hatte sie Flip-Flops, in prähistorischen Zeiten Badelatschen genannt. Ihr aschblondes Haar fiel in ungebändigten Strähnen herab, die Mundwinkel krümmten sich halbmondförmig nach unten. Eine verzweifelte Mutter, die um ihr Kind bangte – allerdings musste die Verzweiflung schon Jahre anhalten, denn die Kerben im Gesicht hatten sich sehr tief eingegraben. Mit geradezu aufreizend langsamen Bewegungen kam sie auf die Kriminalisten zu.
    »Was unternehmen Sie eigentlich?«, lautete die Frage, mit der sie die beiden sofort überfiel. »Wo ist mein Kind?«
    »Das wissen wir noch nicht«, erwiderte Uplegger, dem die Frau auf Anhieb unangenehm war. »Ich kann Ihnen aber versichern, dass es mit großem Aufwand gesucht wird.«
    »Großer Aufwand?« Sie funkelte ihn an. »Gar nichts geschieht.«
    »Aber Kollegen von uns …«
    »Ja, was haben die schon gemacht? Zuerst kamen zwei Herren in Uniform, die ein paar Fragen gestellt und dann stundenlang aus ihrem Auto telefoniert haben. Mit dem Telefon kann man ein vermisstes Kind wohl nicht suchen, oder? Und seitdem? Stundenlange Funkstille. Ich gräme mich zu Tode!«
    Uplegger registrierte zweierlei: Die Frau übertrieb maßlos, denn weder die Telefongespräche noch die Funkstille konnten Stunden gewährt haben, und sie sprach immer nur von sich. Ihr Mann kam gar nicht vor.
    »Waren keine Kriminalbeamten hier?«, fragte Barbara.
    »Ja, doch.« Die Frau verzog das Gesicht. »Zuerst zwei Frauen, die sich ein Foto geben ließen und schwachsinnige Fragen stellten, ob Karina schon einmal weggelaufen wäre, ob wir Feinde hätten und dergleichen. Und dann kam ein Zivilist mit Hund, der Karinas Schlafanzug mitgenommen hat. Das ist doch lächerlich angesichts der Tatsache, dass meine siebenjährige Tochter …«
    Uplegger unterbrach die sinnlose Tirade. »Ist Ihr Mann da?« Etwas Drittes war ihm inzwischen aufgefallen: Tatsachen, die ihr nicht passten, zum Beispiel nicht in ihr Bild von der untätigen Polizei, unterschlug sie.
    Sie nickte. »Der sitzt in seinem Arbeitszimmer und flennt. Dabei hätte er längst die Nachbarn mobilisieren können, damit sie Suchtrupps bilden. Wenn die Polizei nichts tut, muss man sich selber helfen. Also, kommen Sie herein!«
    Hinter der Flügeltür dehnte sich ein riesiges Wohnzimmer aus, das spärlich mit Bauhausklassikern und italienischen Designermöbeln ausgestattet war, mit einem roten Ecksofa nach Walter Gropius, Sesseln und Hockern

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