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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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bemerkt, die zu Fuß oder per Rad im Nienhäger Holz unterwegs waren. Einzelpersonen, Paare und Gruppen auf der Strecke zwischen Nienhagen und Strand bzw. Steilküste, unterwegs nach der einen oder der anderen Richtung. Keiner kann sagen, wie viele es waren: drei Dutzend, vier, fünf? Die Zahl lag wohl eher im oberen Bereich. Auf die Uhr geschaut hat offenbar leider keiner der Zeugen. Um die Mittagszeit hörten sie laute Kinderstimmen, vermutlich Jungen. Der Waldwissenschaftler Kranz gibt an, er hätte zwei zirka Zehnjährige mit Fahrrädern gesehen. Forstrat Wagenbach kann das nicht bestätigen, der zweite Wissenschaftler Brauer meint, es wären drei gewesen. Ihrer Vermutung nach waren die Kinder nicht zur Steilküste unterwegs, sondern blieben in der Nähe der Ruine beim Stellplatz. Vermutung dreimal unterstrichen! Etwa nach einer Stunde sollen die Jungs wieder verschwunden sein. Zwischenzeitlich gab es noch andere Personenbewegungen, einmal eine größere Gruppe Jugendlicher, die mit dem Rad Richtung Strand unterwegs war. Rufen und Geschrei haben die Zeugen auch später noch einmal gehört, wieder aus Richtung Ruine. Ob dort die vorher bemerkten Kinder waren oder andere Personen, konnte keiner sagen. Alle drei geben an, Hilfeschreie vernommen zu haben, aber hierzu gibt es abweichende Erinnerungen. Der eine meint, etwas Nordisches gehört zu haben, der andere auch Englisch. Brauer gab an, ein deutliches Hilfe! Hilfe! auf Deutsch ausgemacht zu haben.«
    »Sie waren also Ohrenzeugen des Verbrechens«, stellte Barbara fest. »Haben sie etwas unternommen?«
    »Zunächst nichts.«
    Barbara registrierte eine erste Lüge: Gegenüber Helmich und Krüger hatten die Männer angegeben, die Toten gefunden, aber von der Tat nichts mitbekommen zu haben.
    »Das Nienhäger Holz ist nicht der erste Wald, in dem die Auffindungszeugen Inventur machen«, erklärte Uplegger. »Sie sagen, sie hätten schon häufiger erlebt, dass Leute aus Spaß um Hilfe rufen. Eltern spielen mit ihren Kindern ich weiß nicht was … Räuber und Gendarm sicher nicht, Außerirdische und NASA vielleicht, Monster und Held – keine Ahnung. Oder Leute sehen die Waldarbeiter und wollen sie provozieren: Mal sehen, was passiert, wenn ich Hilfe! schreie. Wagenbach erzählte, dass er einmal zwei Jungs entdeckt habe, die an einen Baum gefesselt waren. Er wollte schon die Polizei rufen, aber dann stellte sich heraus, dass der Vater mit ihnen gespielt hat … Kurzum, sie haben ebenso wie die Zeugen aus der Ferienanlage die Hilferufe nicht ernst genommen. Der Bystander-Effekt!«
    Barbara nickte wissend. Uplegger überlegte, ob sie sich nur keine Blöße geben wollten, und ärgerte sich über sich selbst, weil er mit einem Begriff protzte, ohne sich selbst genau zu erinnern, was damit gemeint war; eigentlich lag ihm das Angeben doch gar nicht.
    »Um halb eins machten die Männer Mittagspause. Eine Dreiviertelstunde zuvor war Pagels von Wagenbach in den Ort geschickt worden, um für jeden eine Chinapfanne und ein Bier zu holen; das Bier angeblich nur, weil Freitag ist. Ich vermute, Pagels hasst seinen Vorgesetzten – nicht nur deshalb, weil der ihn als Laufburschen benutzt. Die Mahlzeit nahmen alle vier gemeinsam in ihrem Bauwagen ein, danach vertraten sich Kranz und Brauer die Füße. Punkt 13:30 Uhr sollte die Arbeit wieder aufgenommen werden. Bei ihrem Verdauungsgang bemerkten die Eberswalder den Jungen auf dem Weg, und auch den erwachsenen Mann sahen sie dort liegen. Diesmal schaute Brauer auf die Uhr: Es war vier vor eins.«
    »Wann ging der Notruf ein?«
    »13:27. Die Zeitspanne erklären sie damit, dass sie zum Bauwagen zurückkehrten und die beiden anderen holten. Wagenbach entdeckte daraufhin die Frauenleiche und rief über Handy die 110. Pagels blieb angeblich vollkommen teilnahmslos.«
    Barbara nickte vor sich hin. Ein Mensch, der angesichts dreier Erschlagener keine Empfindungen zeigte, musste schon ziemlich dumpf sein; oder er kannte die Leichen schon.
    Uplegger betrachtete die Windschutzscheibe, die fast vollkommen undurchsichtig war von den Wassermassen, mit denen die Natur ihre Macht demonstrierte, allerdings schien der Regen etwas nachzulassen.
    »Wir könnten wetterfeste Kleidung von der Spusi …«, begann er, als ihn die ersten Takte von Lady Greensleeves ausbremsten. Der Klingelton gehörte zu Barbaras Mobiltelefon, einem altertümlichen Gerät zum Auf-und Zuklappen, das sie aus ihrer Handtasche fummelte. Während seine Kollegin telefonierte,

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