Moerder Im Gespensterwald
Marmeladentoast gegessen. War eigentlich ganz optimistisch, dass wir die Notlage unseres Betriebs doch noch in den Griff bekommen. Ich habe da ein paar Ideen, aber das führt wohl zu weit …«
»Überhaupt nicht«, sagte Barbara. »Wie ist denn diese Notlage entstanden?«
»Das will ich Ihnen sagen.« Er hob kurz den Kopf, der Geräusche aus der Küche wegen; es hörte sich an, als bereite seine Frau den Kaffee mit der Kettensäge. »Wissen Sie, was das Grundproblem der Bau-und Immobilienbranche ist? Krethi und Plethi träumen vom eigenen Haus. Am liebsten würden sogar Transferempfänger Paläste bauen. Alles soll perfekt sein: Lage, Grundstück, Gebäude, Ausstattung. Aber kosten soll es möglichst wenig. Man hat für Rigips gespart, will aber massives Mauerwerk. Man kann sich vielleicht IKEA leisten, wünscht jedoch edelstes skandinavisches Design. Und all diese Handwerker spielen mit. Häuser von der Stange werden einem ja geradezu hinterhergeworfen – mit dem Versprechen, dass die Bauausführung ein Jahrhundertwerk sei. Aber in Wahrheit ist es Schrott.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Doch niemand zwingt sie, für Krethi und Plethi zu bauen.«
»Außerdem«, warf Uplegger ein, »verstehe ich Ihre Werbung so, dass Sie nur gehobenen Ansprüchen genügen wollen. Also keine Häuser von der Stange.«
»Das stimmt. Nur, ich bin von den Pfuschern abhängig, die sich in Rostock und Umgebung angesiedelt haben. Die den Mund ziemlich voll nehmen, die Gold versprechen und Blei liefern, die Wasserschaden und Schimmelpilz gleich mit einmauern. In Graal-Müritz hatte ich es mit einer Treppenbaufirma zu tun, die alle Stiegen in die Obergeschosse falsch herum eingebaut hat. Es ist doch klar, dass ich die nicht bezahle.«
In der Küche schepperte es, gefolgt von einem Aufschrei. Dünnfelder reagierte nicht.
Upleggers Körper spannte sich, und er beugte sich vor. »Soll ich Ihrer Frau …?«
»Nicht nötig. Sie hat heute ihren dramatischen Tag.«
»Sie meinen …?«
»Nicht was Sie denken. Nicht ihre Tage , sondern Theatertag. Vorstellung von morgens bis abends. Das gibt sich.«
»Sie meinen, dass Sie uns etwas vorspielt?«
»Sie ist gekränkt, wenn man sie nicht beachtet. Da wird so etwas Simples wie Kaffeekochen zu einer tragischen Inszenierung. Wenn Sie ihr helfen, fällt sie vor Ihren Augen um.«
»Ist sie Hausfrau?«, wollte Barbara wissen.
»Nein, nein. Sie arbeitet in Rostock, beim Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei. Sie ist Biochemikerin und hat sich auf Tierseuchen spezialisiert. Im Moment ist sie allerdings krankgeschrieben.«
»Oh, was hat sie denn?«
Dünnfelder hob die Achseln. »Kreislauf, Migräne, Hirnerschütterung, ich weiß es nicht. Sie fühlt sich abgeschlagen und hat manchmal Kopfschmerzen. Und Probleme mit dem Schlaf. Kein Wunder bei dieser Hitze!«
»Das kann einen aber auch ziemlich belasten.«
»Ja, mich und Karina.«
Kaum hatte Dünnfelder das gesagt, hörte man einen Körper zu Boden stürzen.
Uplegger war als Erster aus dem Arbeitszimmer gerannt. Was immer diese Frau getan hatte, Kaffee hatte sie nicht gekocht; wie es aussah, hatte sie stattdessen mit diversen Küchengeräten möglichst laute Geräusche produziert. Mitten im Raum lag sie nun reglos auf dem Rücken. Uplegger kniete sich neben sie, fühlte ihren rasenden Puls, und Barbara griff zum Handy, um einen Notarzt zu rufen. Dünnfelder hatte für all das nur eine wegwerfende Handbewegung übrig.
»Sie genießt es, dass wir drei rat-und hilflos um sie herumstehen«, meinte er kalt.
Sofort riss seine Frau die Augen auf, schoss in die Höhe und ging wie eine Furie auf ihn los. Sie trommelte ihm mit den Fäusten auf die Brust, was er mit hängenden Armen über sich ergehen ließ, und schrie: »Nie kümmerst du dich um mich! Ich könnte vor deinen Augen sterben, und du merkst es nicht einmal!« Dann lief sie aus der Küche in die Diele und zur Treppe ins Obergeschoss, wobei sie beide Flip-Flops verlor. Uplegger fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
Mit Dünnfelder ging plötzlich eine auffallende Verwandlung vor. Er ließ sich auf einen Stuhl sinken und wirkte zu Tode erschöpft. Wasser trat in seine Augen, ein Grauschleier legte sich über sein Gesicht.
»Ich halte das nicht mehr aus«, flüsterte er. »Emotionale Erpressung rund um die Uhr! Und jetzt auch noch …« Tränen strömten ihm über die Wangen, versammelten sich am Kinn und tropften von dort auf das Polohemd. Verunsichert
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