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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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umzukleiden, sodass er noch seine Bermudas und das T-Shirt trug, an dem Erbrochenes klebte. Seine Füße waren ziemlich schmutzig. Die Bettdecke hatte er zwischen den Beinen hindurchgezogen, so dass sie nur einen Oberschenkel bedeckte. Sein Schlaf war unruhig, er schwitzte, und ein Speichelfädchen hing an seinem Mund. Er stöhnte leise, stammelte ein paar Worte, die Uplegger nicht verstehen konnte, und manchmal zuckte sein Bein.
    Jonas seufzte auch. Er ging zum Fenster und ließ das Rollo herunter, dann zog er zusätzlich die Vorhänge zu. Langsam verließ er das Zimmer und schloss die Tür.
    Seine Schuldgefühle waren so stark, dass er über eine Möglichkeit nachsann, sie loszuwerden. Der einfachste Weg war, die Schuld jemand anderem zu übertragen. In seinem Versuch, Tim zum Anstifter zu erklären, hatte er die Rechnung ohne dessen Eltern gemacht. Als sie ihn abholen kamen, hatte er sie mit Vorwürfen konfrontiert, doch sie hatten den Spieß umgedreht: Nur Marvin könnte auf die Idee gekommen sein, behaupteten sie steif und fest. Aber Marvin wusste doch gar nicht, wo man den Stoff bekam. Nein, Tim war schuld. Tim, der Linke, der bei attac mitmischte und bei den Falken . Der ein schwarzes T-Shirt mit der roten Aufschrift Im Kapitalismus war nicht alles schlecht trug, der gegen den Staat war, gegen die Banken, gegen hemmungslosen Konsum und was nicht alles noch; und diese linken Graswurzelrevoluzzer kifften doch alle.
    Es klingelte. Uplegger atmete tief durch. Mit Tims Eltern, Inhabern einer Hörgeräte-Kette, hatte er sich bis aufs Blut gestritten. Diese reichen Schnösel hatten seinen Sohn beschuldigt und ihren als Engel dargestellt. Wutentbrannt hatten sie die Wohnung verlassen und Tim mitgenommen. Man war nun verfeindet. Die Freundschaft der Kinder war natürlich beendet. Uplegger bedauerte es nicht im Geringsten; ein Kiffer war kein angemessener Umgang für Marvin.
    Das Klingeln an der Tür konnte nur bedeuten, dass Tim etwas vergessen hatte, also öffnete Uplegger wenig erfreut. Seine Züge entgleisten vollends, als er Barbara vor der Fußmatte stehen sah. Außer einem neugierig-mitfühlenden Blick nahm er vor allem ihre Fahne wahr. Nicht bloß ein bekiffter Sohn, sondern auch noch eine angetrunkene Kollegin – das war entschieden zu viel.
    Und doch leistete er keinen Widerstand: »Kommen Sie herein!« Er fühlte sich einfach zu schwach, um sich noch einmal aufzuregen.
    »Muss ich …?« Barbara deutete auf ihre Schuhe. Er schüttelte den Kopf.
    Uplegger ging ins Wohnzimmer voraus, öffnete die Hausbar, die er nur selten konsultierte, und betrachtete die Sammlung von Alkoholika, die vor allem für Gäste bestimmt war. Nun hatte er einen Gast, und unverlangt stellte er eine Flasche Grappa auf den Tisch.
    »Fein«, sagte Barbara und setzte sich in einen der weißen Ziegenledersessel. »Durch Ihre harsche Reaktion am Telefon fühlte ich mich bemüßigt, nach dem Rechten zu sehen.« Sie schaute sich um und entdeckte eine scheußliche Patchworkdecke auf der Couch, während das abstrakte Gemälde der Vorzeigekünstlerin Pastor durch etwas Vernünftiges ersetzt worden war: eine Ostseelandschaft mit Fischerbooten. »Sie haben einiges verändert …«
    »Na ja …« Uplegger holte zwei Gläser und schenkte ein. »Um Ihre Neugierde gleich zu befriedigen: Marvin schläft. Nachdem er sich mit seinem Kumpel zugekifft hat!«
    »Ach?« Barbara angelte nach ihrem Glas. »Nur gekifft?«
    »Nur?« Uplegger ließ sich auf das Patchworkungetüm fallen. »Sie verharmlosen, genau wie die Konsumenten. Dabei wissen wir beide, dass Cannabis eine Einstiegsdroge ist.«
    »Halten Sie das Ihrem Sohn doch vor! In diesem Oberlehrerton, das kommt bestimmt gut an.« Sie roch an der Blume, und da sie Grappa wegen seines Medizingeschmacks nicht mochte, beließ sie es dabei. »Mein Gott, Jonas, Ihr Sohn hat es einfach mal ausprobiert. Das kommt in den besten Familien vor und wird erst dann ein Drama, wenn man es dazu macht.«
    Uplegger betrachtete sein Glas und brachte das Kunststück fertig, nahezu gleichzeitig zu nicken und den Kopf zu schütteln.
    »So ganz blicke ich noch nicht durch. Marvin konnte nichts mehr sagen, und auch sein Kumpel war ziemlich maulfaul. Ich nehme an, der hat das Piece besorgt oder hatte schon eins dabei. Auf dem Wall haben sie den ersten Joint geraucht und dann noch einen im Park an der Paulstraße. Sie waren auf dem Weg zu uns, wo sie eigentlich Anno 2070 spielen wollten. Aber dafür waren sie dann zu … zu

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