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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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auch seine Arbeit, die ihn oft genug zwang, die Nacht zum Tag zu machen. Vielleicht sollte er sich in ein anderes Kommissariat versetzen lassen? Oder gar aufs Land? Aber selbst dort klagten die Kollegen von Überlastung …
    Er stellte den Wagen vor eine Ausfahrt, sprang hinaus und rannte zur Haustür. Noch während er lief, zog er den Schlüssel aus der Tasche, sperrte auf und hetzte die Treppen hinauf, mit klopfendem Herzen, weil er nicht wusste, was ihn erwartete. Er öffnete die Wohnungstür, behielt die Schuhe an und stürzte zum Kinderzimmer. Dessen Tür stand offen, ein bleicher Tim kam ihm entgegen, der sich kaum auf den Beinen halten konnte. Und dann hörte er es: ein Geräusch aus dem Bad, ein eindeutiges Geräusch. Marvin übergab sich.
    Upleggers Herz verkrampfte sich. Er riss die Badtür auf und sah seinen Sohn auf Knien vor der Kloschüssel. Es stank nach Halbverdautem, aber mittlerweile spie er nur noch Galle. Sein gekrümmter Körper, das lange blonde Haar, am Ansatz feucht vom Schweiß, und der gequälte Blick, mit dem er seinen Vater bedachte, konnten einen Stein erweichen.
    Uplegger wandte sich an Tim, der am Türrahmen lehnte: »Was habt ihr genommen?«
    »Npss«, würgte Tim hervor.
    »Was?«
    »’n Piece …«
    Also wie vermutet: Cannabis. Uplegger ging zum Hängeschrank über dem Doppelwaschbecken, nahm einen Waschlappen heraus und netzte ihn mit kaltem Wasser. Marvin konnte nicht aufhören, sich zu erbrechen, aber es kam nichts mehr. Nannte man das bei Alkoholkranken nicht Trockenkotzen? Uplegger legte ihm den Waschlappen auf die Stirn. Das war die einzige Erste-Hilfe-Maßnahmen, die ihm einfiel.
    »Woher habt ihr das Zeug?«, wollte Großinquisitor Jonas Uplegger wissen.
    »Besorgt«, brachte Marvin heraus.
    »Wo?«
    »Gibt’s doch überall«, meinte Tim. Diesen Satz hatte Uplegger schon häufig gehört, aber er konnte nicht stimmen. Uplegger kannte niemanden, der wusste, wo es Canabis zu kaufen gab, außer den Leuten vom Rauschgiftkommissariat natürlich – und den Konsumenten, zu denen nun auch sein Sohn gehörte. Vermutlich war er verführt worden. Von Tim? Vielleicht waren die beiden Jungen dem Teufel auch in Gestalt eines Kleindealers begegnet. Vielleicht zwischen den Buden im Stadthafen. Dort floss zwar während der Hanse Sail vor allem Alkohol, aber vielleicht gab es auch andere Drogen.
    Marvin richtete sich mühsam auf und musste sich sofort mit einer Hand an der gefliesten Wand abstützen. Er sah hilflos aus, und Uplegger blutete das Herz, aber er würde ihn nicht in den Arm nehmen und dorthin geleiten, wohin er gehörte, ins Bett. Vielleicht war ihm das eine Lehre, so wie manchen Kindern von ihrem ersten Rauchversuch dermaßen übel wurde, dass sie zeitlebens nie wieder zur Zigarette griffen.
    Marvin tastete sich an der Wand entlang, bis Tim das Elend nicht länger ansehen konnte. Selbst wacklig auf den Beinen, nahm er einen Arm seines Freundes, legte ihn sich um die Schulter und führte Marvin aus dem Bad. Uplegger ging zum Telefon und rief Tims Eltern an.
     
    Barbara schlich über die abendlich stillen Flure der Dienststelle, denn sie wusste, dass die Stille täuschte: Ganz sicher waren noch Leute von der SoKo da. Sie wollte aber niemandem begegnen, schließlich hatte sie mehrere Biere und Schnäpse intus.
    Dass sie überhaupt noch einmal in die Blücherstraße zurückgekehrt war, hatte mit Roger W. Bach zu tun, denn Nico Böhmes Worte ließen ihr keine Ruhe. Natürlich konnten das alles nur Gerüchte sein, die üble Nachrede von Neidern, zu denen ja auch Nico gehörte. Barbara schloss ihr Büro auf und huschte hinein. Sie hatte wenig Hoffnung, so spät noch jemanden beim LKA Nordrhein-Westfalen zu erreichen, aber den Versuch war es wert. Was sollte sie auch zu Hause? Zum Lesen war sie nicht nüchtern genug, also hätte sie doch nur vor dem Fernseher weitergetrunken.
    Sie startete ihren PC, und wieder fiel ihr der Satz der Diplompsychose ein: »Ich möchte gar nicht wissen, was Sie alles allein machen.« Doch sie hatte Sorge getragen, um einem erneuten Anfall von Selbstmitleid vorzubeugen, und fingerte rasch einen Flachmann aus der Umhängetasche. In Nullkommanichts hatte sie den Schraubverschluss gelöst und spülte den Satz in den Orkus.
    Dann beschloss sie, erst einmal Uplegger anzurufen und ihm Bericht zu erstatten. Sie versuchte es auf dem Handy, dann auf dem Festnetz, denn vielleicht war er nach Hause gefahren, um sich um seinen Sohn zu kümmern. Schließlich war morgen

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