Moerder Im Gespensterwald
aus polizeilicher Sicht der Tag, an dem es auf der Hanse Sail die meisten Alkoholvorfälle gab. Darüber konnte Uplegger nur müde lächeln: Er und Barbara hatten bereits einen solchen hinter sich.
Im Bad rauschte Wasser, er deckte den Tisch. Viel gab der Kühlschrank nicht her, aber bevor er an die Arbeit ging, wollte er wenigstens mit seinem Kind frühstücken.
Mit dem Kind, das sich zugekifft hatte! Sofort schnürte es Uplegger die Kehle zu. Nein, die Dampframme irrte, ein 14-Jähriger sollte keine Erfahrungen mit Drogen machen, nicht einmal heilsame. Dies setzte nämlich voraus, den Stoff irgendwo zu erwerben, und das war die Crux: Einer der beiden Jungen musste wissen, wo es Haschisch zu kaufen gab. Uplegger tippte nach wie vor auf Tim. Doch nun wusste es womöglich auch Marvin. Der aber sollte so etwas nicht wissen, Punktum!
Uplegger knallte Teller und Messer auf den Tisch. Er riss einen Hängeschrank auf, nur um festzustellen, dass kein Brot da war.
Die Hähne wurden zugedreht, erneut ging die Badtür. Uplegger wartete. Doch Marvin kam nicht, scheute wohl die Begegnung. Also verließ Uplegger die Küche. Marvin stand in der Tür zum Wohnzimmer, trug kurzes Sportzeug und schnüffelte.
»Moin, Papa!« Er schaute seinen Vater nicht an. »Stinkt.«
»Wie?«
»Kneipe.«
Uplegger biss sich auf die Lippen. Verkatert, wie er war, hatte er vergessen, die Fenster zu öffnen.
Nun drehte sich Marvin doch um. Dass Uplegger mit seiner Kollegin getrunken hatte, verschaffte ihm Oberwasser. Wider Erwarten hatte der Drogenexzess keine Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, er sah frischer aus, als Uplegger sich fühlte.
»Wir müssen reden«, sagte der.
»Ich weiß.« Marvin gähnte demonstrativ. »Gibt’s Frühstück?«
»Kein Brot da.«
»Soll ich holen?« Das war ja etwas ganz und gar Neues. Uplegger konnte sich nicht erinnern, dass sich sein Sohn jemals erboten hatte, an einem Samstagmorgen zum Bäcker zu gehen. Wahrscheinlich wollte er Zeit gewinnen.
»Vielleicht sind noch Aufbackbrötchen in der Kühltruhe?«
»Nee, da ist nur der Fisch, den Opa geangelt hat.« Marvin lächelte schelmisch. »Ungefähr zehn Tonnen.«
»Dann gehen wir gemeinsam.«
»Super! Schade, dass wir nicht mehr über unser schönstes Ferienerlebnis schreiben müssen.« Marvin überquerte den Flur und bückte sich nach seinen Turnschuhen. Er wählte Chucks, einen roten und einen blauen, der rote mit blauen, der blaue mit roten Senkeln.
»Ich verstehe nicht.« Auch Uplegger zog seine Schuhe an.
»Na, andere würden etwas Langweiliges schreiben über Urlaub in den Bergen und so. Aber ich: Ich habe mit meinem Vater etwas unternommen, wir waren zusammen beim Bäcker.«
»Soll das ein Vorwurf sein?« Uplegger packte seinen Sohn bei den Schultern und drehte ihn zu sich. » Du weigerst dich doch! Ich meine, dir genügend Vorschläge für …«
»Ach ja, super Vorschläge! Die Staatlichen Museen in Schwerin. Das Schloss in Güstrow. Oder noch mal die hippe Kunstmühle in Schwaan, denn da kann man ja mit dem Fahrrad hin! Schiffe gucken!«
»Ja, verdammt, dann sag mir, was du willst!«
»Ich weiß es doch auch nicht«, sagte Marvin, entwand sich dem väterlichen Griff und gab den Schuhen einen Tritt.
Barbara weichte Wäsche ein. Ihr Kopf dröhnte, ihr Körper fühlte sich an wie der des Jonas; nicht wie der ihres Kollegen, sondern wie der jener biblischen Gestalt, die von einem Walfisch verschlungen und wieder ausgespuckt worden war. Bevor sie überhaupt zu einer Handlung fähig gewesen war, hatte sie ein Bier trinken müssen. Viel besser ging es ihr nicht.
Während des Schlafs war ihr das Schlimme widerfahren, das ihr zwar selten, aber doch immer wieder passierte, die Ursache für ihre Waschaktion. Wenn sie zu betrunken war, vergaß sie manchmal, vor dem Ins-Bett-Fallen die Toilette aufzusuchen, und dann geschah eben das Peinliche, das Bruno aus dem Bett trieb. Der Kater hockte auf der Schwelle der Badezimmertür und schaute sie vorwurfsvoll blinzelnd an. Barbara schwenkte die Wäsche im lauwarmen, mit Waschpulver versetzten Wasser.
Es war auch schon vorgekommen, dass sie es nicht mehr in ihre Wohnung geschafft und im Treppenhaus herumgelegen hatte, was ihr noch peinlicher war als das Schlimme . Nachbarn hatten sie noch nicht darauf angesprochen, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht von ihnen in diesem Zustand gesehen worden war; sie wohnte in einem diskreten Haus. Oder vielmehr in einem Haus, in dem niemand Anteil am Schicksal
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