Mörder im Zug
Uplegger überrascht.
»Früher ja. Jetzt nur bis Bahnhof Warnemünde. Kann er Zug nehmen nach Güstrow.«
»Aus welchem Grund benutzt er den Zug?«
Medanauskas sah hilfesuchend zu seiner Frau. Da sie noch immer nicht reagierte, sagte er leise: »Er ist ein bisschen krank.«
»Er nimmt Medikamente, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen«, ergänzte Barbara im Ton einer Feststellung. Frau Medanauskas gab einen Laut von sich, ein unterdrücktes Schluchzen vielleicht. Als Barbara sie anschaute, zeigte sie aber nur ein starres Gesicht.
»Woher Sie wissen?«, fragte Medanauskas.
»Er nimmt Lexotanil.«
Medanauskas’ Hände kneteten ein kleines, mit geometrischen Ornamenten besticktes Kissen. »Woher Sie wissen?«
Plötzlich schrie die Frau.
Ihr schmächtiger Körper war zusammengesunken, aber noch immer stand sie. Schweißperlen hatten sich auf ihrer Stirn gebildet, ihre Augen waren feucht, das Kinn zitterte.
»Was ist mit meinem Sohn?«
»Er ist tot.«
Ein Notarzt war nicht erforderlich. Der Entsetzensschrei der Mutter hatte zuerst Riccardo auf den Plan gerufen, der in Trainingsanzug und Badeschuhen herbeigeeilt kam, und wenig später erschien auch seine Schwester Celerina. Sie hatte sich nur eine Jacke über einen rosa Schlafanzug geworfen, auf dessen Brust eine Mickey Mouse prangte, und verlegen schloss sie die Jacke, als sie die Fremden gewahr wurde.
Frau Medanauskas hatte sich von ihrem Mann zum Sofa führen lassen, wo sie nun mehr lag als saß. Auf dem Tisch stand ein Glas mit einer klaren Flüssigkeit, die aus der Hausbar stammte und die sie nicht anrührte. Der Mann, der sein Glas in der Hand hielt, hatte hingegen schon einen großen Schluck genommen. Barbara bekam sofort Appetit, aber natürlich würde sie hier nicht einmal nach Wasser fragen.
Riccardo und Celerina standen hinter der Mutter, die junge Frau völlig niedergeschlagen, während der Jüngling – das war er aus Barbaras Sicht noch – seine Gefühle zu unterdrücken schien. Der Vater ging mit großen Schritten auf und ab, was unter anderen Umständen fast albern gewirkt hätte. Unvermittelt blieb er stehen.
»Wer?«, fragte er. Sein Brustkorb hob und senkte sich heftig.
»Sie meinen, wer Ihren Sohn getötet hat?«, sagte Barbara.
»Ja.«
»Das wissen wir noch nicht. Der Täter hat den Tatort unerkannt verlassen.«
»Ich … ich … ich …«, stammelte Perviltas. Er brachte nur dieses eine Wort heraus, aber Barbara ahnte, dass er sagen wollte, was er mit dem Täter machen würde, wenn er ihn in die Finger bekäme.
Uplegger richtete sich in seinem Sessel auf und legte die Hände im Schoß zusammen.
»Frau Medanauskas«, er bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick, dann richtete er die Augen auf den Mann, »Herr Medanauskas, es tut uns sehr leid, dass wir Ihnen diese schreckliche Nachricht überbringen mussten. Wenn es Ihnen irgend möglich ist, würden wir Ihnen gern ein paar Fragen stellen.
Wir akzeptieren aber auch, wenn Sie jetzt allein sein möchten. Dann kommen wir eben noch einmal wieder.«
»Ja«, sagte die Frau, und es war nur ein Hauch. »Bitte, später. Bitte! Ein paar Minuten nur.«
Es war Riccardo, der Barbara und Uplegger in die Küche brachte, die ebenso aufgeräumt war wie das Wohnzimmer. Man setzte sich an den polierten Küchentisch, Riccardo füllte ein Glas mit Wasser. Er deutete auf den Wasserhahn, doch sowohl Barbara als auch Uplegger schüttelten den Kopf.
»Wie heißt der Freund, mit dem sich Ihr Bruder manchmal traf?«, wollte Uplegger wissen.
»Morten. Sie kennen sich von der Schule. Ostsee-Gymnasium. Das ist in Evershagen.«
»Wissen Sie seinen Nachnamen?«
»Kröner.« Riccardo nahm einen Schluck. »Morten Kröner.«
»Wissen Sie auch, wo er wohnt?«
»In Lichtenhagen-Dorf. Oder war es Elmenhorst? Seine Eltern haben dort irgendwo ein Grundstück.«
»Er lebt noch bei seinen Eltern?«
»Glaub schon.« Riccardo leerte das Glas und füllte es erneut.
Vor Uplegger stand ein geflochtener Korb mit ein paar Briefen sowie einem Autoschlüssel. Das zuoberst liegende Kuvert stammte von einer Haus & Grund Gebäudeversicherungs-AG mit Sitz in Hannover. Uplegger tippte mit dem Zeigefinger darauf und fragte: »Bezahlt die Versicherung Ihnen die Vandalismusschäden am Al Faro ?«
Riccardo hob die Brauen. »Sie wissen davon?«
»Ihr Vater hat Anzeige erstattet.«
»Natürlich. Nein, die Versicherung zahlt nicht mehr. Sie haben gekündigt. Nach dem dritten Mal dürfen sie das.« Der junge Mann
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