Mörder im Zug
Schneeballprinzip besorgen. Er wirbt neues Kapital ein, um alte Anleger damit zu befriedigen.«
»Können Sie das beweisen?«
»Das mit dem Schneeballprinzip nicht. Über das andere habe ich einen Artikel geschrieben.« Miriam Jegorow tippte etwas in ihren Computer. »Ich war vorsichtig, wollte der Zeitung eine Klage ersparen. Also keine Interna, nur öffentlich zugängliches Material. Mein Chef hat es trotzdem abgewürgt. Hier!« Sie fuhr mit der Mouse über das Pad.
»Woher haben Sie Interna?«, fragte Barbara.
Miriam Jegorow senkte den Blick.
»Ich habe keine«, sagte sie.
»Glaub ich Ihnen nicht. Sie machen auf mich den Eindruck, gründlich zu recherchieren.« »Oh, danke«, murmelte die Volontärin und wurde rot. »Ich drucke Ihnen den Artikel aus.« »Also, woher stammen die Interna? Das mit dem Schneeballprinzip können Sie kaum aus einer öffentlichen Quelle haben.«
»Ein Mitarbeiter …« Miriam erteilte offenbar den Druckbefehl, denn der Laserdrucker auf einem Beistelltisch fuhr hoch. »Im Frühjahr, nachdem die neuen Prospekte erschienen waren … Er wandte sich an mich. Stand eines Abends vor der Redaktion …«
»Ach?« Barbara beugte sich weit vor. »Wusste er, dass Sie über die Firma arbeiten?«
»Ich hatte mich kurz vorher durch den Betrieb führen lassen. Natürlich habe ich so getan, also wollte ich nur Positives schreiben. Ich habe da so einen Bonus: Man hält mich für ein kleines Mädchen, das man leicht manipulieren kann.«
»Und das nutzen Sie aus. Nicht ungeschickt.« Barbara setzte eine Verschwörermiene auf, um das kleine Mädchen um den Finger zu wickeln. »Wer hat Sie geführt?«
»Anfangs der Chef selbst. Dann übergab er mich seinem Produktionsleiter. Übergeben, das ist sein Wort.«
»Medanauskas«, sagte Barbara.
Miriam schluckte. Sie wollte ihren Informanten nicht verraten – doch dann brach sie unvermittelt in Tränen aus.
***
Uplegger musste nicht lange warten. Die Konsultation bei Dr. Emmelmann dauerte nicht zehn Minuten, sondern acht. Als Sandy Ball aus dem Ordinationszimmer kam und an den Tresen trat, wich sie Upleggers Blick aus. Die Schwester druckte ein Rezept und den Krankenschein, Sandy dankte, steckte beides ein und schlüpfte in ihre Strickjacke. Dann trat sie nochmals in den Warteraum, nahm ihren Mantel vom Garderobenständer und murmelte einen Abschiedsgruß, der nicht erwidert wurde.
Uplegger hielt ihr die Tür auf.
»Wenn Sie wollen, fahre ich Sie nach Hause«, sagte er.
»Lieber nicht.« Sie sprach so leise, dass er sie kaum hören konnte.
»Warum nicht?«
»Mein Mann macht Stress, wenn Sie mich bringen.«
»Soll ich Ihnen eine Vorladung schicken?«
»Oh Gott, nein! Er denkt dann sonst was.«
»Was denkt er?«
Die junge Frau schwieg. Sie standen vor der Praxis, und durch die Hageböcker Straße fuhr ein kalter Wind.
»Was könnte er denken, Frau Ball?«
»Dass Sie mich seinetwegen sprechen wollen. Er baut manchmal … Also er … Er ist ein Hansa – Fan.«
»Das ist nicht verboten. Und nun kommen Sie, ich will nicht erfrieren.« Uplegger deutete auf den roten Audi, den er wenige Schritte von der Praxis entfernt geparkt hatte. Sein Dienstwagen war vielleicht weniger nobel als die Kiste der Dampframme, aber dafür war er mit einem Laptop ausgestattet. Sandy Ball folgte ihm mit zögerlichem Schritt. Uplegger spürte, dass eine schreckliche Angst sie niederdrückte. Trotzdem stieg sie ein.
»Wie heißt Ihr Mann?«
»Danilo.«
»Schauen Sie.« Uplegger deutete auf den fest installierten Kleincomputer. »Wenn ich seinen Namen in unser System eingebe …«
»Das müssen Sie nicht. Ich sag es Ihnen so. Er fährt zu den Spielen, um sich zu prügeln.«
»Er ist ein Hooligan?«
»Hm.« Sandy Ball nickte.
»Wurde er schon mal festgenommen?«
Heftiges Nicken.
»Dann wurde er natürlich ED-behandelt«, sagte Uplegger mehr zu sich selbst.
»Was?«
»Erkennungsdienstlich erfasst. Personalien aufgenommen, fotografiert, Fingerabdrücke, die ganze Palette. Soll ich Sie nicht doch nach Hause fahren? Ich könnte Sie schützen.«
»Vor wem? Ich brauche Ihren Schutz nicht.«
»Frau Ball!« Uplegger steckte den Schlüssel ins Zündschloss, startete aber noch nicht. »Was ist mit Ihrem Auge? Erzählen Sie mir bloß nicht das Märchen vom Treppensturz.«
»Wenn es doch aber wahr ist?«
»Bei einem Treppensturz fällt man nicht auf die Augen.«
In der Antwort »Ich habe auch eine Rippenprellung« schien fast ein wenig Stolz mitzuklingen.
»Und
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