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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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die nächste Zigarette an. Barbara dachte frohlockend, dass eine so starke Raucherin aus dem Leim gehen würde, wenn sie irgendwann das Laster aufgab.
    »Etwas Besonderes?« Sie blies Rauch in Richtung der Leinwand. »Eigentlich nicht. Abgesehen von diesem widerlichen Schneeregen …«
    »Jemanden gesehen?«
    »Der Zug stand schon, als ich auf dem Bahnhof angekommen bin. Ich habe mich beeilt, hineinzukommen. Doch, da war ein Mann auf dem Bahnsteig! Vorn, beim ersten Wagen. Lange Haare. Ich habe noch gedacht: Männer! Sind so eitel, tragen selbst bei Polarkälte keine Mütze!«
    »Hatte er denn so schönes Haar?«
    »Glaub ich nicht. Nein, nein, eher ungepflegt. Fettige Strähnen.« Penelope Pastor schielte auf Barbaras Kopf. »Aber ich war zu weit weg, vielleicht irre ich mich.«
    »Was hatte er an?«
    »Gott, was Sie alles wissen wollen?« Sie inhalierte. »Jeans und einen hellen Daunenanorak. Und hohe Schuhe? So eine Art Boots? Nein, tut mir leid …«
    Barbara klappte ihren Notizblock auf, machte ein paar Aufzeichnungen.
    »Und im Zug?«, wollte sie wissen.
    »Es ist mir peinlich, aber ich habe auf die anderen nicht geachtet. Ich war zu sehr bei der Ausstellung, bei dem lächerlichen Skandal um mein Bild.«
    »Vagina dentata«, sagte Barbara.
    Die Künstlerin lächelte.
    »Sie sind ja gut informiert. Vor nichts haben die Leute so viel Angst als davor, mit ihren Ängsten konfrontiert zu werden.«
    »Sind Sie sicher, dass in jedem Mann eine tiefe Angst vor dem Weiblichen steckt?«
    »Alle Achtung!« Penelope Pastor hob die Brauen. »Ich frage mich allerdings, warum Sie sich so für mich interessieren.«
    »Ich beschäftige mich mit allen, die im Zug waren«, sagte Barbara. »Und Sie sind obendrein die Geliebte des Arbeitgebers des Opfers.«
    »Zwei Genitivattribute, das hätte meinen Vater fürchterlich aufgeregt.« Die Malerin blickte auf ihr Glas. »Und wie gesagt, ich unterhalte keine intime Beziehung zu Rauch.«
    »Sie hassen Männer?«
    »O nein! Sie interpretieren mich falsch. Übrigens nicht nur Sie. Ich bin keineswegs ein männerhassendes Monstrum. Ganz kommt frau ohne sie ja nicht aus; es sei denn, man ist lesbisch.«
    Die Beharrlichkeit zählte Barbara zu ihren Tugenden, und so fragte sie noch einmal: »Sind Sie wirklich nicht mit Simon Rauch zusammen?«
    Penelope Pastor warf den Kopf in den Nacken.
    »Ich bin nie mit Männern zu-sam-men, Frau Riedbiester«, sagte sie mit Vehemenz. »Sex ja, aber ansonsten kann ich sie um mich nicht ertragen. Weder ihre Machoallüren noch ihre Wehleidigkeit. Und vor allem keine herumliegenden Socken. Seien Sie froh, dass Ihnen so etwas erspart bleibt.«
    Sofort stieg eine starke Wut, ja sogar Hass in Barbara auf. Wie konnte diese magersüchtige Zicke es wagen, ihr, der Kriminalhauptkommissarin Riedbiester, dergleichen ins Gesicht zu sagen? Himmel und Hölle würde sie in Bewegung setzen, um dieses Insekt zu zerquetschen.
    »Sie können gar nicht wissen, was mir erspart bleibt«, sagte sie mühsam beherrscht.
    Penelope Pastor deutete auf Barbaras Glas. Es war schon wieder leer.
    »Sie trinken, haben schon das erste Stadium der Selbstvernachlässigung erreicht«, diagnostizierte sie. »Außerdem sendet ihre Kleidung an die Männerwelt eine Botschaft: Rühr mich nicht an!«
    Zerquetschen, dachte Barbara. Ihr das Maul stopfen und dann so lange auf ihrem schlanken Körper herumspringen, bis er Mus wird.
    »Haut Sie die Wahrheit um?«, fragte das Insekt nun mit lauerndem Blick.
    Barbara schüttelte den Kopf. Ihr Mund war ganz trocken, und sie hatte entsetzlichen Durst.
    »Gegen Rauchs Protektion haben Sie jedenfalls nichts einzuwenden«, sagte sie mit einer krächzenden Stimme, die ihr peinlich war.
    »Was kann ich dafür, dass ihm die Stadtverwaltung und alle Parteien aus der Hand fressen? Selbst in Schwerin hat man sich vor ihm verbeugt. Und nicht irgendwer, sondern ein Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium. In meinen Bildern kann ich träumen, aber ich muss mich doch den Realitäten stellen, wenn ich sie verkaufen will. Ohne Rauchs Einsatz wäre die aktuelle Präsentation in der Wollhalle nie zustande gekommen.«
    »Sie kuscheln also mit den Mächtigen«, stellte Barbara nicht ohne Häme fest.
    Penelope Pastor wurde rot.
    »Zum letzten Mal«, sagte sie laut, »es ist eine reine Geschäftsbeziehung.«
    Wer’s glaubt, wird selig, dachte Barbara. Wie hatte Jonas gesagt? Wenn es nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden.
    Nicht einmal das.
    »Zurück zu Ihrer

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