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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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gestrigen Zugfahrt. Sie haben auf Mitreisende nicht geachtet?«
    Penelope Pastor schüttelte den Kopf. »Nur auf den Schaffner. Komischerweise fühle ich mich immer ertappt, wenn ein Kontrolleur den Waggon betritt. Obwohl ich hundertprozentig sicher bin, frage ich mich jedes Mal, ob ich den Fahrschein entwertet habe. Aber der Schaffner gestern wollte ihn gar nicht sehen.«
    »Weil es kein Kontrolleur war, sondern ein Wachmann«, erklärte Barbara. Sie hatte sich beruhigt.
    »Ach so.« Die Zeugin drückte ihre Kippe aus und nahm eine neue.
    »Sie sind doch in Schwaan ausgestiegen?«
    »Natürlich.«
    »War dort jemand auf dem Bahnsteig?«
    »Ja, ja.« Die Dorfkünstlerin gab sich Feuer. »Zwei Typen in Lederklamotten. Motorradrocker ohne Motorrad.« Sie schmunzelte kurz. »Mit rasierter Glatze. Ich habe bei ihrem Anblick nicht an die Eitelkeit der Männer gedacht, hätte es aber können. Manche Frauen stehen ja auf nackte Köpfe, ich nicht. Außerdem, wenn es wenigstens Charakterköpfe gewesen wären. Aber die beiden waren bloß austauschbare Neandertaler, wissen Sie?«
    Barbara wusste. Hätte ihr jemand anderes gegenüber gesessen, hätte sie vielleicht gegrinst, aber dieser Person wollte sie nicht das geringste Zeichen von Einverständnis geben.
    »Dann stand da noch eine Frau im Wartehäuschen«, fuhr Penelope Pastor fort. Nachdenklich betrachtete sie die Zigarette zwischen ihren Fingern. »Wie soll ich sie beschreiben?
    Ein Mensch, der nicht gesehen werden will. Jemand, den das Schicksal so sehr geprügelt hat, dass er sich ständig für seine Existenz entschuldigt. Können Sie sich ungefähr vorstellen, was ich zum Ausdruck bringen will?«
    »Sehr gut sogar«, sagte Barbara. »Ein Zeuge hat diese Frau als verhuschte Erscheinung bezeichnet.«
    »Ja, das trifft es genau. Eine verhuschte Erscheinung.« Die Künstlerin hob den Kopf, schaute Barbara in die Augen. »Oder eine kleine graue Maus. Immer auf der Hut vor Fressfeinden.«
    »Ihre Kleidung?«, fragte Barbara.
    »Ich weiß nicht. Gedeckte Farben? Wahrscheinlich Rentner-beige, aber so alt war sie nicht.«
    »Rentnerbeige!« Nun musste Barbara doch grinsen. »Gut. Ich danke Ihnen.« Sie schloss den Block. »Eines würde ich gern noch wissen. Wenn Sie nachts vom Bahnhof nach Hause laufen, treffen Sie dann Vorsorge, um sich notfalls verteidigen zu können? Pfefferspray, ein Schlagstock, ein Messer vielleicht …?«
    »Wozu? Schwaan ist ein friedlicher Ort. Ich bin sicher, dass mir nichts passieren kann.«
    Heilige Einfalt, dachte Barbara. Es gab keine friedlichen Orte, das Verbrechen fühlte sich überall zu Hause. Nichts auf der Welt besaß ein so tiefes Heimatgefühl wie das Böse. Und es hatte ein enormes Geschick, sich mit illuminierten Schwibbögen zu tarnen.
    Kriminalhauptkommissarin Riedbiester versenkte den Notizblock in ihrer Handtasche, ließ den Verschluss zuschnappen und stand auf. Von dem Wein war ihr etwas schummrig, aber die Kälte würde die Wirkung des Alkohols schon vertreiben. Penelope Pastor brachte sie bis zum Gartenzaun.
    »Haben Sie mich jetzt auf dem Kieker?«, wollte sie wissen. Eine feine Ironie schwang in ihrer Frage mit.
    »Überschätzen Sie sich nicht.« Barbara überquerte die Straße. Der Asphalt war unter einer dünnen Schneedecke verschwunden.
    Im Wagen schaltete sie die Standheizung an, dann blickte sie auf das Eckgrundstück der Künstlerin. Penelope Pastor war zu ihren Mythen und Archetypen zurückgekehrt.
    Barbara gelangte nur ein paar Meter vorwärts bis an die geschlossene Schranke. Sie reckte den Hals, aber die Polizeiwagen waren nicht mehr zu sehen.
    Plötzlich überflutete sie eine Welle von Hass.
    Was hatte sie sich von dieser Göre, die sich einbildete, malen zu können, nicht alles an den Kopf werfen lassen müssen! Dass sie trank, dass sie das erste Stadium der Selbstvernachlässigung erreicht hatte, dass sie den Männern eine abweisende Botschaft sendete. Übersetzt bedeutete dies: Sie war einsam, fett und hässlich. Selbst wenn es stimmte – diese Dilettantin hatte kein Recht, es auch nur zu denken. Sehr sicher musste sie sich fühlen, wenn sie es wagte, einer Ermittlungsbeamtin derartige Frechheiten ins Gesicht zu sagen. Sie genoss Protektion. Na und? Von wem denn? Von einem Kleinstadtganoven!
    Als die S-Bahn vorbeirauschte, hatte Barbara nur einen Gedanken: Sie würde alles daransetzen, Penelope Pastor von ihrem hohen Ross zu stürzen. Sie würde dafür sorgen, dass sie tief genug in den Dreck fiel, um sich zu

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