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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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die Kleine Mönchenstraße. Uplegger hätte nie den spontanen Entschluss gefasst, ihm zu folgen, wenn er sich nicht so radikal verwandelt hätte: Aus dem Kokon der Wachschutzuniform war nämlich ein nächtlicher Schmetterling geschlüpft. Der kleine, untersetzte Mann trug enge Jeans, einen roten Blouson, der für die Jahreszeit zu dünn wirkte, auf dem Kopf ein rotes Basecap und Schuhe mit Absätzen, die ihn einige Zentimeter größer erscheinen ließen. Uplegger musste an Humphrey Bogart denken, und von dort war es für seine Synapsen ein Katzensprung zu Sam Spade.
    Wahrscheinlich bekomme ich hinter der nächsten Ecke wirklich einen Schlag über den Deets, dachte er belustigt.
    Hinter der nächsten Ecke – das war die Koßfelderstraße. Sokolowski schaute sich nicht einmal um, und natürlich bekam Uplegger keinen Schlag. Von der Koßfelderstraße ging es in den Burgwall, wo der Wachmann vor der Nummer 7 innehielt. Auch Uplegger blieb stehen. Sokolowski betrat das b sieben ohne zu zögern.
    Uplegger war erschüttert, einfach weil er überhaupt nicht damit gerechnet hatte, der Bahnschützer könne in einem solchen Etablissement verkehren. Denn das b sieben war eine Szene-kneipe. Eine Szenekneipe für Lesben und Schwule.
    Für Schmetterlinge.
    Uplegger hatte doch einen Schlag erhalten.
    ***
     
    Perviltas Medanauskas wirkte beinahe erleichtert, als er Barbara eintreten sah. Er kam mit einladend oder hilfesuchend ausgestreckten Armen auf sie zu, während der Tresengast sagte: »Die schicken einen von Pontius zu Pilatus …«
    »Guten Abend, Frau Kommissarin.« Medanauskas deutete in die Runde, um ihr auf diese Weise einen Tisch anzubieten. »Womit ich kann dienen?«
    »… immer die gleiche Leier …«, sagte der Gast. Vor ihm standen ein helles Hefeweizen und ein düsterer Schnaps.
    »Ein kleines Bier.« Barbara setzte sich wieder ans Fenster und betrachtete kurz das Schneetreiben, aus dem sie kam.
    »Die haben alle keine Ahnung, Per«, sagte der Gast. »Kriegen Zucker in den Allerwertesten geblasen, aber davon, wie es bei uns aussieht, verstehen die überhaupt nichts.«
    Barbara deutete zur Theke. »Was hat er?«
    »Kummer.«
    »Dachte ich mir. Ich muss mit Ihnen sprechen. Können Sie ihn wegschicken?«
    »Meinen einzigen Gast?« Perviltas runzelte die Stirn.
    »Die können einfach nicht rechnen. Nicht mal eins plus eins. Per, noch einmal die Runde!«
    Medanauskas verdrehte die Augen, kehrte zum Tresen zurück und sprach leise auf den Gast ein. Der wandte den Kopf und starrte Barbara aus rotgeäderten Augen an. Dann sagte er »Okay, okay« und versank in dumpfes Brüten. Perviltas zapfte das Bier und brauchte keine sieben Minuten. Nachdem er es serviert hatte, setzte er sich zu Barbara.
    »Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Leben«, bat sie.
    »Von Leben?« Medanauskas wirkte ratlos. »Ja, wo soll ich anfangen?«
    »In Lettland. Hatten Sie dort auch schon ein Restaurant?«
    »Nein. Ich habe Geschichte studiert. Arbeit geschrieben über Hanse. Schwarzhäupter in Riga und Bremen. Daher gelernt Deutsch.« Er schaute sich rasch nach seinem Gast um, der leise vor sich hin sprach. »Wirklich interessiert, in mein Herz, ich habe aber für Renaissance. Gibt es auch in Riga. Chor von Johanniskirche, sagt man, ist schönstes Renaissancebauwerk in Lettland. Ich wollte immer sehen Mutterland von Renaissance. War nicht möglich in Sowjetunion. Aber dann kam Revolution, Sowjetunion kaputt und Grenzen offen.«
    Barbara wurde warm ums Herz, als sie ihm tief in die Augen sah, in die glänzenden Augen eines kleinen Jungen, der die Geschenke unterm Weihnachtsbaum entdeckt und noch nicht weiß, was sich unter dem Einschlagpapier verbirgt. Das war ein Moment großer Hoffnung und Ungeduld, und auch Perviltas schien ihn durchlebt zu haben.
    »Ich musste nach Italien, verstehen Sie?«, fuhr er fort. »Musste alles sehen. Roma, Firenze … Alles, alles!« Über seine Augen legte sich ein Schleier. Er hatte die Geschenke ausgepackt und … »Nicht viel Geld. Aber kann man arbeiten in Italien. Ich kann arbeiten! Bloß, was kann man machen mit Studium von Geschichte? Und wenn aus Osteuropa? Dreckarbeit in Restaurant. Wie illegale immigranti .«
    »Sie haben sich dann hochgeschuftet?«
    »Ja, ja. Gutes Wort dafür. Habe immer gern gekocht. Schon wie ich Kind war. Habe meiner Mama geholfen in Küche. Habe gelernt Sprache, Bücher gelesen und … wie sagt man? Augen offengehalten? Italienische Küche ist die beste der Welt.« Sein getrübter Blick

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