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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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drei Jungs hatten sich an einen der dunklen Holztische gesetzt und steckten sich gerade jeder eine Zigarette an, von der Theke nickte ihm ein bebrillter junger Mann freundlich zu, vier Männer schon älteren Semesters spielten an einem weiteren Tisch Chicago. Sokolowski hatte es sich auf einem Barhocker bequem gemacht, der an einem hohen runden Tisch stand, und war offenbar gerade in ein Gespräch mit einem Mittzwanziger vertieft gewesen, der einen Dreitagebart trug und aussah wie ein Student. Upleggers Auftritt hatte das Gespräch unterbrochen, und als Sokolowski ihn erkannte, senkte er den Blick.
    »Moin, moin!«, sagte Uplegger laut, um zu überspielen, dass ihm das Herz in die Hose gerutscht war.
    »Herzlich willkommen«, sagte der Tresenmann. »Bist neu hier, was?«
    Uplegger nickte. Er schaute weiterhin zu Sokolowski. Von der Decke baumelte schon ein Adventskranz.
    Der Wachschützer beugte sich vor und flüsterte etwas zu seinem Gegenüber, woraufhin der mutmaßliche Student Uplegger mit einem neugierigen Ausdruck musterte. Sokolowski schien ihn etwas zu fragen, er schüttelte den Kopf. Unübersehbar enttäuscht, ließ sich der Wachmann vom Hocker gleiten und ging mit entschlossenen Schritten auf Uplegger zu.
    »Warum schnüffeln Sie in meinem Privatleben? Ist die Zeit der Polizeirazzien in Homo-Kneipen nicht vorbei? Oder führen Sie noch Rosa Listen?«
    »Ich bin allein, also ist das kaum eine Razzia. Zu Ihren weiteren Fragen: Nach einem Mord gibt es kein Privatleben mehr, und ich habe noch nie eine Rosa Liste geführt. Sind Sie öfter hier?«
    »Das geht Sie gar nichts an!« Sokolowski war wütend. Er stampfte sogar auf den Boden, was aussah, als spiele Bogart das Rumpelstilzchen, dann wandte er sich zur Theke: »Andy, ich möchte zahlen.«
    »Zwei Rostocker? Fünf vierzig.«
    Sokolowski legte einen Zehner auf den Tresen: »Stimmt so. Kannst dafür diesem Herrn einen zapfen!« Er schnappte Jacke und Basecap und verließ, noch immer in Rage, das Lokal.
    Uplegger war rot geworden, denn die Zweideutigkeit war ihm nicht entgangen.
    »Du hast es gehört«, sagte der Wirt, »was möchtest du?«
    »Eine Weißweinschorle.«
    »Wohin?«
    Uplegger deutete zu dem Tisch, von dem aus der mutmaßliche Student ihn nach wie vor fixierte, ein ironisches Lächeln um den Mund. Dann trat er näher. »Hallo.«
    »Du bist also ein Bulle.«
    »Ja.«
    »Zwei lesbische Polizistinnen kommen manchmal her. Die sind sogar engagiert bei einem Verein für gleichgeschlechtliche Lebensweisen oder wie ihr das nennt.«
    »VelsPol MV«, sagte Uplegger fast stimmlos.
    »Was für’n Ding?« Der Student grinste. »Mann, Mann, Behörden und die deutsche Sprache!«
    Uplegger räusperte sich. »Der Verein lesbischer und schwuler Polizeibediensteter Mecklenburg-Vorpommern.«
    »Auch nicht besser.«
    »Na ja …«
    Der Wirt brachte die Weinschorle. Uplegger rührte das Glas nicht an, weil er fürchtete, seine Hände könnten zittern.
    »Kennen Sie Herrn Sokolowski schon länger?«
    »Wen?«
    »Den Mann, der gerade gegangen ist.«
    »Ach, Rüdi. Ja, ab und zu begegnet man ihm in der Szene. Man kann sich ganz gut mit ihm unterhalten … bis er einen anmacht.«
    »Er hat Sie also angemacht?«
    »Wir sagen hier eigentlich alle Du zueinander.« Der Student betrachtete Uplegger mit unverhohlenem Interesse. »Ich bin Max. Eigentlich Maximilian.«
    »Jonas. Er hat dich angemacht?«
    »Weißt du, ich glaube, er ist ein ziemlich einsames Herz. Er muss nur paar Bier in der Rübe haben, dann wird er anzüglich. Was glaubst du, warum er mit mir geflüstert hat?«
    »Er hat dir erzählt, dass ich Bulle bin.«
    »Auch. Und dann hat er gefragt, ob ich mit ihm komme.« Wieder erschien das spöttische Lächeln auf seinem Gesicht. »Ich denke, er wollte mir nicht seine Briefmarken zeigen. Eher seinen Sonderstempel.«
    »Aha.« Uplegger spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss.
    »Das steht dir.«
    »Was?«
    »Wenn du rot wirst.«
    »Hm.« Uplegger wurde noch roter.
    Dann geschah etwas ganz und gar Schreckliches.
     
    Es ging auf Mitternacht. Barbara war beim dritten Bier. Auf der Stadtautobahn hatte sie ihren Blick immerzu auf die Mittellinie gerichtet, um nicht von der Fahrbahn abzukommen, und das war dermaßen anstrengend gewesen, dass sie beschlossen hatte, ihr Trinkverhalten zu ändern. In einem ersten Schritt war sie von Nullvierern auf Nulldreier umgestiegen.
    Aus sentimentalen Gründen ging sie nach wie vor zum Trinken in die Krumme Ecke in der

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