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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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nach zehn, als Barbara das Al Faro verließ. Die Kälte war so schneidend geworden, dass sie schauderte und rasch zu ihrem Wagen ging. Ihre Beine waren schon etwas schwer, aber ihr Kopf nicht: Sie war keineswegs müde, sondern aufgekratzt und hellwach, also würde sie noch etwas trinken müssen, wenn sie schlafen können wollte. Vielleicht sollte sie noch auf einen Sprung in ihre Stammkneipe gehen und sich mit Gesprächen über Nichtigkeiten ablenken. Das Piano nobile konnte warten.
    In dem Schnapsladen mit dem eigenartigen Namen Spiritofsky entdeckte sie plötzlich einen Weihnachtsmann im Neoprenanzug, der sie zögern ließ. Sie kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf das Ladenschild, dessen Beschriftung aus blauen, roten und grünen Buchstaben bestand. Von der durchwachten Nacht und dem anstrengenden Tag ohnehin in eine hysterische Stimmung versetzt, begann sie laut zu lachen.
    Was sie vor sich hatte, war gar kein Spritgeschäft, sondern ein Laden für Kitesurfer. Barbara hielt sich die Seiten.
    Der Name lautete nämlich Spirit of Sky .
    ***
     
    Da Uplegger davon ausgegangen war, dass sich Sokolowski nicht herausgeputzt hatte, um im b sieben lediglich ein schnelles Bier zu trinken, hatte er zwischenzeitlich den Wagen aus der Hartestraße geholt. Nun saß er bei eingeschalteter Standheizung hinter dem Lenkrad, beobachtete den Eingang der Kneipe und fragte sich, was er eigentlich erhoffte. Sokolowskis Verwandlung hatte ihn überrascht, doch sie bedeutete keineswegs, dass jener ein Doppelleben führte; er hatte lediglich eine Mauer zwischen Arbeit und Privatleben errichtet. Auch er selbst bemühte sich ja, die Tötungsdelikte in der Dienststelle zu lassen, um zu Hause für seinen Sohn dazusein und nicht zu grübeln. Nicht immer gelang das.
    Ein offen schwuler Bahnschützer hatte es bestimmt nicht leicht. Vermutlich fiel es ihm ohnehin schon schwer sich zu behaupten, weil er nicht mehr der Jüngste und zudem nicht sehr groß war. Würde man ihm auch noch seine Veranlagung anmerken, liefe er womöglich Spießruten.
    Uplegger hatte nichts gegen Lesben und Schwule, solange sie sich nicht vor seinen Augen küssten. Wenn es zwei Frauen taten, ging es noch. Bei Männern war es ihm äußerst unangenehm. Er bekam sogar eine Gänsehaut, und wenn er sich vorstellte, wie eine Männerzunge … Bloß nicht!
    Seine Gedanken schweiften zu Marvin, und nicht zum ersten Mal stellte er sich die Frage, was er tun würde, wenn sein Sohn schwul wäre. Wie selbstverständlich ging er davon aus, dass er es nicht war. Das taten sicher alle Eltern, aber manchmal kam es eben andersherum. Marvin hatte nie mit Puppen gespielt oder die Kleider und Schuhe seiner Mutter getragen … Himmel, was waren das nur für Überlegungen! Er konnte sowieso nichts tun, musste es auf sich zukommen lassen. Doch eines musste er vor sich selbst einräumen: Obwohl er sich einbildete, tolerant zu sein, einen schwulen Sohn wollte er nicht haben.
    Von der Langen Straße, in der Barbara wohnte, kamen drei junge Burschen von kaum zwanzig Jahren, die sich über irgendetwas köstlich amüsierten. Jeder hatte eine Bierflasche in der Hand, und sie lachten und hieben einander auf die Schulter. Vor dem b sieben blieben sie stehen. Uplegger versenkte die Seitenscheibe in der Tür. Mit der Kälte drangen auch ein paar Worte in den Wagen: »Ich wusste doch, dass der ihn abblitzen lässt«, sagte einer, der tatsächlich Hosen trug, die seine Waden freiließen, und das bei dieser Witterung. »Wie der geguckt hat!«, erwiderte der zweite, ein hochaufgeschossener schlaksiger Junge. Der fast noch kindlich wirkende Dritte sagte: »Das nennt man Frust«, und sofort kicherten sie wieder. Ein paar Sekunden später waren sie im b sieben verschwunden.
    Uplegger konnte mit sich nicht ins Reine kommen: Sollte er das ermittlungstaktische Freizeitvergnügen beenden und nach Hause fahren? Sollte er noch warten? Oder einfach reingehen? Sokolowski würde ihn dann entweder für einen schwulen Bullen halten oder denken, er habe es auf ihn abgesehen, was wahrscheinlicher war. Vielleicht war es ganz interessant, die Reaktion des Auffindungszeugen zu testen, der per se verdächtig war, routinemäßig verdächtig sozusagen.
    Uplegger gab sich einen Ruck. Er hatte nichts zu verlieren, und wenn er auch keine Welt gewann, so doch vielleicht ein paar Informationen.
    Kaum stand er im Gastraum, richteten sich alle Augen taxierend auf ihn, und er fühlte sich wie auf einem Präsentierteller. Die

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