Mörder im Zug
…«
»Mach ich.«
»Kennst du vielleicht eine Penelope Pastor?«
»Und ob ich die kenne!« Böhme hieb mit der Hand auf den Tresen. »Wenn irgendwo eine Ausstellung stattfindet, läuft man der garantiert über den Weg. Und irgendein Geschmiere von ihr hängt auch immer herum.«
»Du magst sie nicht«, konstatierte Barbara.
»Ich finde, sie trägt die Nase ziemlich hoch. Sie ist bloß eine regionale Größe …«
»Bist neidisch, Nico?«, krähte Matthes. »Weil du nur eine Größe in der Krummen Ecke bist?«
»Halt’s Maul, Suffkopp!«
»Selber.«
Nico winkte ab.
»Sie wirft sich immer den richtigen Leuten an den Hals. Macht für sie die Beine breit. Und dann malt sie Schwanz-ab-Bilder! Na ja, malen … Ist mehr ein Farbe-auf-die-Leinwand-Klatschen. Warum fragst du nach ihr?«
»Weil sie mir bei unserem aktuellen Fall über den Weg gelaufen ist.«
»Geht es um diese S-Bahn-Sache?« Nico langte nach seinem Glas, hielt aber inne, und ein Leuchten verbreitete sich über seine düsteren Züge. »Das war in der S-Bahn von Güstrow nach Rostock? Ich verstehe! Sie wohnt bei Schwaan. Hat sie jemanden umgebracht?«
»Unwahrscheinlich. Aber sag mal, woher weißt du, wo sie wohnt?«
»Ich bin ein paar Mal bei ihren unsäglichen Atelierfeten gewesen. Monika hat mich mitgenommen.« Monika Schuder war eine Rostocker Malerin, mit der Nico ungefähr während des Neolithikums eine Affäre gehabt hatte. Befreundet waren die beiden immer noch. »Da sind immer alle möglichen Leute, die sich für wichtig halten. Aber es gibt anständig zu essen und zu trinken.«
»Mit welchen mächtigen Männern hat sie denn …?«
»Einige Zeit hatte sie was mit einem berühmten Kunsthändler aus Berlin. Er sollte sie international platzieren, aber das ist gründlich schiefgegangen. Irgendein Senator aus Rostock stand auch mal auf ihrer Liebesliste. Und jetzt hat sie mit dem Boss dieser Kaviarfabrik angebändelt, die wohl bald abnippeln wird. Dann gibt sie ihm garantiert den Laufpass.«
»Simon Rauch.«
»Genau, so heißt der. Sie schmeißt sich an alles ran, was entweder Kohle hat oder Einfluss. Oder beides.«
»Bist du ganz sicher, dass die beiden ein Paar sind?«
»Hundert Pro!«
»Und wieso bist du so sicher? Oder verlässt du dich nur auf Gerüchte?«
»Ich verlasse mich nie auf Gerüchte«, erklärte Nico großspurig. Barbara kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass dies eine Falschaussage war. »Bei der letzten Kunstnacht hatte Penelope eines ihrer sogenannten Werke in der Galerie Art’s Art am Alten Markt ausgestellt. Mit viel Brimborium hat sie bei der Vernissage verkündet, sie hätte ihre abstrakte Phase hinter sich und sei zur gegenständlichen Malerei zurückgekehrt. Und dann gab sie den Blick frei auf ein sehr gegenständliches Gemälde!« Nico tat, als müsse er erbrechen. »Ein Mann mit Maske hält einen Jüngling mit nacktem Oberkörper an einer Leine und lässt ihn von Hunden zerfleischen.«
»Das hört sich nach S/M an.«
»Aber übelster Sorte. Angeblich sollte es aber ein philosophisches Werk sein. Ich kann mich an seinen Titel erinnern: Phersuna.«
Barbara nahm einen anständigen Schluck.
»Was ist denn das?«
»Ein etruskischer Begriff.«
»Etruskisch?« Barbaras nächster Schluck war nicht anständig, sondern gewaltig. Hatten die Etrusker nicht in Italien gelebt, als es noch gar nicht so hieß? Musste sie sich jetzt auch noch mit vorchristlicher Geschichte befassen – oder sollte sie lieber gleich verrückt werden?
»Na, Penelope hat doch jetzt die Mythologie und die Psychoanalyse für sich entdeckt und gibt damit mächtig an. Als wäre das etwas besonders Sensationelles. Ich meine, kaum war die Psychoanalyse erfunden, war die Kunst voll mit Ödipuskomplexen – und das ist über hundert Jahre her!«
»Egal. Zur Sache. Was ist bei der Rostocker Kunstnacht passiert?«
»Rauch war auch da. Er hatte einen Teil der Ausstellung finanziert. In der Galerie gaben sie sich distanziert, und alle nahmen es als Zeichen seiner Höflichkeit, als er Penelope anbot, sie nach Neu Wiendorf zu fahren. Nur die Insider ahnten natürlich, was da lief.«
»Das beweist noch nicht, dass es sich um mehr handelt als Gerede!«
»Ich bin kurz nach ihnen gegangen, hatte den Kanal voll. In jeder Hinsicht.« Nico deutete auf sein Glas, als sei Barbara begriffsstutzig. »Ich habe die beiden draußen in seinem Wagen gesehen. Sie haben sich geküsst. Und wie!«
»Und dann?« Barbara frohlockte. Was sie vermutet hatte,
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