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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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Schreibtisch gemütlich, links von sich das letzte Bier, rechts der Kater. Er hatte die Haltung einer Sphinx eingenommen und starrte sie an.
    »Weißt du eigentlich, warum das Rätsel der Sphinx so simpel ist?«, fragte sie ihn, während sie bei Google den Begriff Phersuna eingab; sie zweifelte nicht, wenigstens bei Wikipedia eine Antwort zu finden. Bruno blinzelte kurz, dann starrte er wieder. Natürlich wusste er es.
    Ein Institut für Systemische Psychotherapie versprach Barbara, sie über phersuna zu belehren. Systemische Psychotherapie – sie schüttelte den Kopf. Uplegger hatte schon recht, wenn er behauptete, alle Methoden zur Behandlung von Geisteskrankheit seien Hervorbringungen kranker Geister. Barbara rief die Website auf und betrachtete ein psychedelisches Logo.
    Nachdem sie sich das letzte letzte Bier geholt hatte, war sie schlauer. Das etruskische Wort bedeutete ›auf den Gott Phersu bezogen‹, von dem sie noch nie gehört hatte, aber das traf auf das gesamte etruskische Pantheon zu. Erstaunlicherweise sollte sich von phersuna das lateinische Wort persona ableiten, das die antike Theatermaske bezeichnete. Schließlich wurde Barbara gewahr, dass der Artikel den Begriff der Persönlichkeit behandelte und vielleicht auch ihre Störungen, aber von denen wollte sie nichts wissen.
    Sie klickte weiter und landete bei so schönen Themen wie psychodynamisches Persönlichkeitsmodell, Kollektiv- und Individualbewusstsein, Ich-Abwehr und gequirlte Schiete, doch was das alles mit einem sadistischen Spiel zu tun hatte, bei dem ein junger Mann von Hunden zerfleischt wurde, blieb ihr sogar nach Kenntnisnahme der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik verborgen. Das Einzige, was sie erntete, war ein fader Nachgeschmack samt dem Gefühl, ihre Zunge hätte sich mit einem Pelz überzogen, aber das kam wohl vom Bier.
    »Ödipus’ Schicksal war von den Archetypen in seiner Seele vorherbestimmt, weißt du?«, erklärte sie Bruno. Der blinzelte kurz, dann starrte er wieder. »Es ist normal, den Vater zu töten und die Mutter zu begehren. Deshalb war das Rätsel derart banal. Es wurde nur Normalität geschaffen.«
    Barbara musste lachen. Dem allerletzten letzten Bier verdankte sie eine Eingebung: Sie schaute sich die Website der letzten Rostocker Kunstnacht an.
    So simpel, so banal – dort fand sie auf Anhieb eine Abbildung von Penelopes Opus oder gar Opus Magnum alias Eis-am-Stiel-Werk. Barbara kicherte. Es war in den üblichen schrillen Farben gehalten und stellte genau das dar, was Nico Böhme beschrieben hatte. Die regionale Größe hatte eine Erklärung beigefügt, in einer steifen Schrift, die womöglich eine zwanghafte Persönlichkeit verriet:
     
    Die Persönlichkeit ist die Maske oder das Kostüm der Seele, mit Hilfe der Persönlichkeit passt sich die Seele an die Realität an. Die Persönlichkeit dämpft die blutige und destruktive Seite der Seele, sie hat also eine zivilisierende bzw. kultivierende Funktion. Eine gestörte Persönlichkeit ist der Riss, durch den die zerstörerischen Komponenten der Seele an die Oberfläche gelangen.
     
    Ja, aber was hatte das mit diesem S/M-Spiel zu tun? Mit dem maskierten Mann, der einen Jüngling am Gängelband zur Schlachtbank führte? War der Maskierte die Persönlichkeit und der Jüngling die blutende Seele? Und welche Rolle spielte der Hund?
    Bruno starrte und blinzelte nicht mehr. Er war eingeschlafen und schnarchte.
    Mit ihren Fragen und nach dem allerletzten allerletzten Bier ging Barbara ins Bett.
    Uplegger hatte alles unter Kontrolle. Dominic hatte seine Hand nicht dorthin gelegt, wo er befürchtet hatte, sondern an die nackte Wade. »Fühl mal«, flüsterte er. Das Fleisch war fest und kühl und ohne Haare, wahrscheinlich rasiert. Pascal und Florian lauerten.
    Die Tür wurde geöffnet, zwei Frauen traten ein, und es gab ein großes Hallo von allen Seiten. Uplegger zog die Hand zurück. Die Frauen hießen Susi und Anna.
    »Tut mir leid«, sagte Uplegger, und es tat ihm wirklich leid, den Jungen enttäuschen zu müssen. »Ich bin nicht schwul.«
    »Na, und?« Dominic klang nicht so, als würde es ihm viel ausmachen. »Was meinst du, wie viele Heteros es gern mal ausprobieren möchten. Weil sie irgendwas in sich spüren, oder weil sie sich mit ihrer Frau langweilen. Warum bist du hierher gekommen? Allein?«
    »Weil …« Uplegger fiel keine Antwort ein außer der Wahrheit, die er nicht preisgeben wollte. Dominic schaute ihn mit einem Ausdruck an, den man wohl

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