Mörder im Zug
bizarre.«
»Aber wir haben vom Hungerhaken erfahren, dass Andriejus die Hooligans abgelehnt hat. Dass er sie, wörtlich, zum Kotzen fand. Was mir aus der Seele spricht. Wie kann es da irgendeinen Berührungspunkt mit Danilo Ball geben? Très bizarre ist Ihr Denken. Ich verstehe ja, dass Sie Sandy irgendwie helfen wollen. Wir haben aber Wichtigeres auf der Agenda.«
»Das wäre?«
Bevor Barbara antworten konnte, rief Lady Greensleeves nach ihr. Ann-Kathrin Hölzel war dran. Es gab Neuigkeiten, wenn auch von geringem Gewicht.
»Man hat die Rentnerin ausfindig gemacht, die ebenfalls in Güstrow zugestiegen ist.« Barbara legte das Handy neben ihren Teller.
»Die sich laut Konwitschny schick gemacht hat wie alte Leute vom Dorf, wenn sie zum Arzt fahren?«
»Jo. Nur dass sie nicht beim Doktäh war, sondern sich mit ein paar ehemaligen Kolleginnen getroffen hat, zum Schwatzen, Essen und um ein Likörchen zu trinken. Sie ist bis Huckstorf mitgefahren, wo sie von ihrem Mann abgeholt wurde. Allein Penelope ist ihr aufgefallen, deren Mantel sie unmööchlich fand.«
»Diese Information bringt uns ja wahnsinnig weiter.« Uplegger schob die Tasse von sich fort.
»Dat säch ik di. Unser Mörder ist weder der Gärtner noch der Mann mit Hut, sondern die Frau im unmööchlichen Mantel. Schön wär’s. Also, ich würde gern die Boutique der herzlosen Mutter in Augenschein nehmen. Vielleicht kaufe ich mir einen Fummel.«
»Dann übernehme ich den ABF.«
»Hä?«
»Morten Kröner, den allerbesten Freund. Marvin nennt seinen ABF. Oder BFF, best friend forever. Und wenn ich dumm aus meiner Wäsche gucke angesichts seiner Eingeweihtensprache, dann bekommt er einen Lachflash oder macht LMAO.«
»Leck mich am Ohr?«
»Laughing my ass off.«
»Klasse!«
»Nein, voll endgeil.«
»Gut, gut!« Barbara ergab sich, indem sie beide Arme hob. »Wissen Sie was, fahren Sie doch einfach schon los. Ich nehme die Straßenbahn zur Dienststelle und hole mir dort einen Wagen.«
»Und auf dem Weg einen Muntermacher?«
»Uplegger, raus!« Barbara zückte ihre Börse. »Betrachten Sie sich als eingeladen.«
Obwohl er die elektronisch generierte Frauenstimme nicht leiden konnte, verließ sich Uplegger ab Lütten Klein auf das Navigationssystem. Das Dorf Lichtenhagen kannte er von Radtouren mit Marvin, denn einige Male hatten sie es durchquert, um über Admannshagen-Ausbau und Steinbeck sowie durch den Gespensterwald ans Meer zu fahren; leider zog es der Junge mittlerweile vor, sich mit Freunden am Strand zu tummeln, und es schien Uplegger, als wären manchmal auch Mädchen dabei. ABF Tim war auf jeden Fall immer mit von der Partie, denn die beiden waren unzertrennlich.
Uplegger seufzte. Lichtenhagen mochte er wegen der schönen alten Dorfkirche und der historischen Scheunen, während ihm Elmenhorst wenig zusagte, weil es keinen dörflichen Charakter hatte. Aber dort wohnte nun einmal die Familie Kröner.
Er fuhr an den beiden Windmühlen vorbei, deren größere ein privates Museum beherbergte, während die zweite das Domizil eines bekannten Malers und Grafikers war, der den Kussmund der AIDA-Kreuzfahrtschiffe ersonnen hatte. In einer Mühle zu wohnen, stellte sich Uplegger romantisch vor, aber Marvin würde sich in einer dörflichen Umgebung sicher zu Tode langweilen.
»Nach hundert Metern links abbiegen!«
Uplegger warf einen Blick über die brachliegenden Felder und entdeckte in der Ferne den riesigen Kühlturm des Steinkohlekraftwerks, das zu den vielen Dingen gehörte, die von den Rostockern nicht gewollt worden und die trotzdem gekommen waren; manchmal hatte er den Eindruck, dass in seiner Heimatstadt am liebsten umstrittene Projekte realisiert wurden, weil es Gott Spaß machte, die Rostocker zu ärgern.
»Nach fünfzig Metern links abbiegen!«
Immerhin wehrten sie sich. Sage also keiner, die Mecklenburger ließen alles wie Ochsen über sich ergehen.
»Jetzt links abbiegen!«
Uplegger bog also von der Dorfstraße nach links in die Hauptstraße.
»Nach zweihundert Metern links abbiegen!«
»Schon wieder? Bist wohl eine rote Socke?«
»Nach hundert Metern links abbiegen!«
»Schon gut.«
»Jetzt links abbiegen!«
Uplegger blinkte. Er schaute aber weiterhin geradeaus, der Hauptstraße nach. Als er das Aushängeschild einer Bäckerei entdeckte, riss er die Augen auf. Denn das war keine gewöhnliche Bäckerei, die es ohnehin kaum mehr gab, sondern die Filiale einer Kette, die seit Jahren in ganz Rostock kontinuierlich
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