Mörder im Zug
also Ihre erste Ration?«
»Eigentlich ja.«
»Da muss ich Sie noch um Geduld bitten.«
»Keine Sorge, vor Ihren Augen werd ich keine Tüte bauen.«
»Das könnte ich kaum zulassen. Es fällt mir schon schwer, sofort wieder zu vergessen, dass Sie Stoff im Haus haben. Woher beziehen Sie ihn?«
»Den gibt es überall.«
»Dann hab ich wohl Tomaten auf den Augen.«
»In den Klubs, in denen ich auflege, wird einem dauernd etwas angeboten. Mir ist es schon öfter passiert, dass mir jemand einen Joint über den Plattenteller gereicht hat. Das ist normal.«
»Sie verstehen sicher, dass ich es nicht als normal ansehe. Wo legen Sie denn auf?«
Morten hatte schon wieder die Finger in der Tabakpackung und zuckte mit Schultern und Gesicht.
»Wo man mich bucht. Für Speicher, MAU, LT und Meli hab ich eine Art Abo, da bin ich immer mal wieder. Aber auch im Umland, bis Güstrow, Doberan, Graal-Müritz … Ich hab auch schon auf Dorffesten für Stimmung gesorgt, wenn die Kohle stimmt. Das ist manchmal sogar ganz lustig.«
»Wo in Güstrow?«
»Gleis 5.«
Uplegger merkte auf. An diesen Klub erinnerte er sich.
»Das ist in der Speicherstraße, in der auch Andriejus gearbeitet hat.«
»Jo. Er hat auch zwei- oder dreimal vorbeigeschaut. Aber Clubbing ist nicht so sein Ding.« Jetzt gelang Morten sogar ein Lächeln. »Er liebt Fische, capito? Und die sind stumm.«
»Er liebte die Stille, meinen Sie?«
»Ja.«
»Und wie hielt er es mit Drogen?«
»Einmal hat er eine Tüte mit mir geraucht. Das hat ihn wohl kuriert. Ich weiß natürlich nicht, ob er heimlich doch was nahm, kann es mir aber nicht vorstellen. Er war ja Sportler. Hat nicht geraucht, und nach drei Bieren war er schon ziemlich angegangen. Nee, nee, er war clean.«
Uplegger folgte einem spontanen Einfall: »Und Riccardo?«
Für einen Moment legte sich ein Schatten auf Mortens Gesicht, und er hatte nur noch einen Blick für die Zigarette, die zwischen seinen Fingern entstand.
»Sie sprechen von seinem Bruder?«
»Was glauben Sie wohl?«
»Wie kommen Sie jetzt auf den?«
»Er besucht die Diskotheken, in denen Sie auflegen, Herr Kröner. Da sind Sie sich doch bestimmt schon begegnet.«
»Klar. Aber nicht oft.«
»Hat er Ihnen auch schon einen Joint über den Plattenteller gereicht?«
»Nein. Ich kenn ihn auch kaum. Mehr vom Sehen.«
»So, so. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass wir in Andriejus’ PKW Spuren von Marihuana gefunden haben? Und von Kokain?«
»Was?« Morten blinzelte heftig.
»Sie haben richtig gehört: Marihuana und Kokain.«
»Aber …« Seine unwillkürlichen Bewegungen wurden so heftig, dass Uplegger fürchtete, er werde selbst mit Zucken und Zittern anfangen.
»Da Sie sich auskennen: Wo bekommt man Koks?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wo bekommt man Koks?«
»Mir ist was eingefallen.« Morten hielt die Zigarette in der Hand, schob sie nicht in den Mund. »Einmal hat jemand, ich glaube, es war Claudia, den Verdacht geäußert … Nein, anders, sie fand, dass Andriejus manchmal wirkt, als hätte er was genommen.«
»Nun doch? Herr Kröner, so leicht falle ich auf diesen Trick nicht herein. Lenken Sie nicht ab. Ich frage Sie zum letzten Mal: Wo kann man in Rostock Kokain beziehen? Ich gebe Ihnen eine Minute, um sich eine befriedigende Antwort zu überlegen. Falls Sie mich enttäuschen, rufe ich ein paar Kollegen und lasse den Bungalow filzen.«
***
Barbara hatte eine SMS von Uplegger erhalten, die ihre Strategie gegenüber Frau Medanauskas änderte oder wenigstens mit einem neuen Akzent versah. Sie dachte nur ein Wort: Sumpf, und bedachte die Mutter mit einem fast mitleidigen Blick. Anscheinend hatte sie weniger von ihrem Sohn gewusst, als sie glaubte.
Trotz ihres Spitznamens fiel es Barbara nicht leicht, ihr jene Frage zu stellen, die sie ihr nun stellen musste, also bat sie erst einmal um Kaffee. Frau Medanauskas begab sich in ein Hinterzimmer und überließ ihr die Aufsicht über die Kerze. Barbara sah der komischen Alten eine Weile beim Füttern der Möwen zu, dann bemerkte sie Riccardo. Er kam aus Richtung Mole und trug einen Plastikbeutel, in dem sich ein bauchiger Gegenstand befand. Über sein Ziel musste sie nicht rätseln, denn kaum hatte sie ihn entdeckt, öffnete er schon die Tür zur Boutique. Er stutzte, dann grüßte er und deutete sogar einen Diener an; er war offenbar ein guterzogener Junge.
»Haben Sie schon etwas herausgefunden?«, fragte er.
»Wenn es so wäre, dürfte ich es Ihnen kaum
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