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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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hatte: Gefühle als Entzugserscheinung.
    »Vor drei Wochen haben Sie Andriejus also zum letzten Mal gesehen?«
    »Ja. Er kam ganz aufgeregt in den Klub. Eine Stunde vor Beginn, ich war beim Einrichten. Da hat er mir gesagt, mit einem irren Blick, ich bekam eine richtige Gänsehaut: Er lässt bald die Bombe platzen.«
    »Ach?«
    »Genau so: Bald lasse ich die Bombe platzen.«
    »Welche?«
    »Was weiß ich.« Morten knetete den Tabak. »Irgendetwas mit seinem Betrieb. Darauf hatte er sich doch voll eingeschossen. Er wollte unbedingt diesen Rauch abschießen. Das ist der …«
    »Ich weiß, wer das ist.« Lange hielt es Uplegger nicht mehr aus in dieser Kettenraucherhölle. »Herr Kröner, Sie haben doch sicher Zeugen für das, was Sie am Tatabend gemacht haben?«
    »Klar. Mindestens siebzig, achtzig Güstrower Schüler.«
    »Und für die Heimfahrt per PKW?«
    »Sagen Sie mir bitte, wie soll ich meinen Kram nach Hause transportieren ohne Auto?«
    »Na, dann sage ich Ihnen das: Sie hätten zum Bahnhof fahren, in den Zug steigen und den Wagen später holen können. Gestern zum Beispiel, als sie angeblich geschlafen haben.«
    »Warum sollte ich Andrea umbringen? Wo wir uns doch wieder nähergekommen sind.«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Okay, okay.« Morten warf den Tabak auf den Tisch und atmete heftig. »Es gibt eine Zeugin. Die Neunzehnjährige. Wir sind ein Stück die Speicherstraße entlanggegangen bis hinter den Zuckerberg … Na, was gucken Sie? Ich bin nicht aus Holz!«
    »Sie hatten Geschlechtsverkehr?«
    »Geschlechtsverkehr! Wir haben es getrieben, bis die Reifen quietschten.«
    »Wenn Sie es lieber so ausdrücken.« Uplegger machte halb erstickt eine generöse Geste. »Hat das Mädchen auch einen Namen?«
    »Hat nicht jeder einen?«
    »Werden Sie nicht witzig! Wie heißt sie?«
    »Irgendwas mit S.«
    »Sie kennen den Namen nicht? Das klingt ja nicht nach großem Gefühl.«
    »Ich kann auch ohne Gefühl Spaß haben.«
    »Womit Sie die Vorurteile bestätigen, die man uns Männern gegenüber hegt.«
    »Was soll denn das heißen? Meinen Sie, Weiber können das nicht auch ohne Liebe?«
    »War S. betrunken?«
    »Und wie!« Morten lachte gehässig.
    »Ich danke Ihnen.« Uplegger stand auf. »Kommen Sie in den nächsten Tagen in die Dienststelle in der Blücherstraße und bringen Sie ein Personaldokument mit. Rufen Sie aber vorher an, ich nehme dann ein Protokoll mit Ihnen auf.« Er legte eine Visitenkarte auf den Tisch, ging zur Tür und riss sie auf. Die feuchtkalte Luft erschien ihm himmlisch. »Vielleicht fällt Ihnen der Name des Mädchens wieder ein. Wenn nicht, bekommen wir ihn auch ohne Ihre Hilfe heraus. Und gnade Ihnen Gott, wenn es jünger als achtzehn ist und ihm aufgrund seines Zustandes die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung fehlte. Googeln Sie spaßeshalber mal nach Paragraph 182 StGB. So, und jetzt können Sie kiffen, bis die Reifen quietschen.«
    ***
     
    Barbara schlenderte am Strom entlang und ließ das Gespräch mit Lukrecija und Riccardo Medanauskas Revue passieren. Die Drohung mit einem Anwalt war ein alter Hut und auf das Fernsehen zurückzuführen, wo längst nicht nur in amerikanischen Filmen der Satz auftauchte: ›Ich sage nichts mehr ohne meinen Anwalt.‹ Dabei musste niemand vor der Polizei eine Aussage machen, und die gekürzte Variante ›Ich sage nichts‹ war vollkommen ausreichend. In der Schule hatte Barbara gelernt, das Sein bestimme das Bewusstsein. Mittlerweile nahm das Fernsehen den Platz des Seins ein.
    Barbara bog in die Querstraße IV, weil sie ihren Weg durch die Alexandrinenstraße fortsetzen wollte, ohne einen anderen Grund als den der Abwechslung; sie hatte es nicht gern, auf dem Weg zurückzukehren, auf dem sie gekommen war. Von rechts betrat unerwartet Riccardo den Bildausschnitt, der von den Häuserwänden begrenzt wurde. Er hatte ein Handy am Ohr und redete mit wilden Handbewegungen auf jemanden ein. Wie ein echter Italiener, dachte Barbara, wobei sie sofort einräumte, dass ihr Bild vom mit Handy telefonierenden Italiener ebenfalls vom Fernsehen geprägt war.
    Riccardo verließ den Bildausschnitt, sie legte einen Schritt zu. Sie konnte den jungen Mann – den Jüngling – nun von hinten sehen und musste zugeben, dass in der engen Jeans ein verlockendes Hinterteil steckte, mit dem man viel, aber nicht zu viel festes Fleisch in die Hände bekäme. Ob er eine Freundin hatte, das hatte sie ihn gar nicht gefragt. Es hatte nichts mit dem Fall zu tun, aber im Moment

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