Mörder Quote
Nazilied in der Show, kein Hitlergruß, kein Rauswurf unter großem Mediengeheule. Der »einfache Junge aus dem Osten« stand vor ihrer Fahrertür und ballte die Hände in seiner Bomberjacke, während der Regen immer stärker wurde.
»Abend Tanya!« Seine Augen blitzten sie hasserfüllt an. »Auf dem Heimweg?«
Tanya überlegte schnell. Der Weg zurück ins Studio war zwar möglich, aber dann hätte sie ihm den Rücken zuwenden müssen, eine Vorstellung, die ihr gar nicht gefiel. Also Psychologie. Deeskalation.
»Klar. Und du?« Sie ging an ihm vorbei zum Kofferraum und lud wie selbstverständlich ihre Taschen und Tüten ein.
»Klar. Und du?«, äffte er sie nach. »Ach, weißt du, ich stehe hier nur dumm rum und freue mich, dass ich nicht mehr ins Studio darf. Nicht mehr in deine verkackte Show!«
Tanya blieb ruhig und ging um den Wagen herum auf die andere Seite. Durchatmen. Einsteigen und die Zentralverriegelung drücken. Dann die Security anrufen. »Weißt du, Uwe, du hast die Regeln gebrochen«, sagte sie so gelassen sie konnte. »Und damit meine ich keine Show-Regeln. Alle Regeln. Es muss dir doch klar gewesen sein, was passieren wird.« Sie stand jetzt vor ihrer Beifahrertür. »Was willst du von mir?«
»Ich will, dass du dich bei mir entschuldigst!« Jetzt stemmte der ehrliche Rocker seine Ellenbogen auf das Dach und beugte sich zu ihr hinüber. »Die ganze Sache war mit Peter und Marco abgesprochen. Selbst das doofe Pitterchen wusste Bescheid! Und du machst einen auf moralisch und lässt mich öffentlich rausschmeißen! Wer glaubst du eigentlich, wer du bist, du doofe Tussi?«
Tanya klickte auf ihren Schlüssel, aber nichts passierte. Sie versuchte es noch einmal.
»Frauen und Autos«, meckerte es hämisch herüber. »Das kann ja nicht klappen.« Tanya fiel in diesem Moment ein, welchen Beruf der rechtsradikale Ex-Popstar leider im normalen Leben hatte – Automechaniker. Mist, er hatte ihr Schloss manipuliert!
»Diese TV -Tussis kriegen ja nicht mal das Schloss ihrer scheiß Luxuskarre auf! Selbst dazu sind sie zu blöd!« Jetzt kam er langsam um das Auto herum auf sie zu und nahm die Hände langsam aus den Taschen. Tanya machte automatisch ein paar Schritte rückwärts.
»Ich werde dir einen Denkzettel verpassen, du blöde Kuh! Ich …«
In diesem Moment hechtete wie aus dem Nichts eine andere Gestalt hinter dem Auto hervor, das neben Tanyas Wagen geparkt war, und warf Uwe zu Boden. Tanya hörte Faustschläge, konnte aber nicht erkennen, was sich hinter ihrem Auto abspielte. Eigentlich hätte sie jetzt so schnell wie möglich in Richtung Studio loslaufen müssen, aber eine Mischung aus Instinkt und Neugier brachte sie dazu, vorsichtig über ihre Kühlerhaube zu schielen.
Nils! Das war Nils, der Uwe auf den Schotterboden des Parkplatzes geworfen hatte und ihn nun dort festgepinnt hielt. Genauer gesagt saß er auf ihm wie ein Ringer kurz vor Kampfschluss.
»Heute kommst du mit einer Warnung davon, du Mistkerl!«, hörte Tanya ihn keuchen. »Aber wenn ich dich noch einmal in der Nähe von Tanya sehe, werde ich dich so dumpf verdreschen, wie es mir meine zehnjährige Kampfsportausbildung immer verboten hat!«
Tanya hätte vermutet, dass er sich noch einmal wehrte. Zumindest irgendetwas brüllte. Aber nein. Hardrocker-Uwe kniff einfach nur den Schwanz ein und rannte ohne ein einziges Wort über den Parkplatz davon, so schnell er konnte.
»Hier, trink!«, sagte Nils, und Tanya griff nach der Tasse – ausgerechnet eine Music-Star-3000 -Tasse mit ihrem Gesicht drauf.
Sie nahm einen Schluck. Es war ihr Lieblingstee.
»Ich hab ihn dir mit Honig gemacht«, sagte Nils sanft. »So magst du ihn doch am liebsten.«
»Woher weißt du das?« Tanya lehnte sich in der Couch zurück. Sie saß in ihrer Garderobe, Nils hatte darauf bestanden, dass sie im Studio abwartete, bis der Schock nachließ, so hatte er sich ausgedrückt.
»Das steht doch auf deiner Homepage unter Vorlieben.« Nils grinste und wurde leicht rot im Gesicht.
»Ich hätte nie gedacht, dass diesen Quatsch jemand liest …« Langsam kam Tanyas Humor zurück.
Aber Nils wurde ernst. Er setzte sich neben sie auf die Couch. »Dieser Mistkerl! Ich hab ihn vom Fenster aus warten sehen und bin sofort los. Auf jeden Fall kommt der nie mehr aufs Gelände. Ich hab der Security Bescheid gesagt. Jetzt bist du sicher.«
Tanya sah in Nils’ Augen. Sie strahlten eine Wärme aus, die sie direkt fühlen konnte, eine Wärme, die ganz bestimmt nicht von
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