Mörder Quote
Chantals »Golden Eye« und Xenas »Goldfinger«. Diese Nummern waren allerdings beachtlich: Was Chantal an Pathos in ihr Gesicht stemmte, legte Xena auf ihre Stimmbänder. Obwohl sie in ihrer Generation plus ihrer Gothic-Welt sicher von Shirley Bassey noch nie etwas gehört hatte, hatte ihre Stimme genau die Stahlhärte und Strahlkraft dieser Königin des unsubtilen Forte. Shirley Bassey sang ja immer, als ob ihr jemand auf den Fuß getreten hätte. Und bei Xena war mindestens ein mittelalterlicher Amboss draufgefallen. Deshalb lag sie auch bei den Publikumsumfragen bis jetzt immer weit vorne, gefolgt von Mephisto, Lilly und Sascha.
Chantal schien die Menschen zu polarisieren – was nicht nur wegen ihrer sexuellen Geschichte, sondern allein wegen ihres Lidschattens nachzuvollziehen war –, und Mike D hatte all die Presse mehr geschadet als genützt.
Fatima schließlich war das Schlusslicht der Umfragen – sie hatte wohl bis jetzt eher nur konservative Türken mobilisiert, und von denen schien die Sendung doch nicht so viele zu locken. Und James Bond in der Moschee – das machte auch wieder keinen Sinn. Trotzdem mühte sie sich gerade tapfer durch eine Art Lauf- und Stuntchoreografie für ihren Song.
»Sie haben mir gar nichts zu sagen! Ich bin nicht nur Mutter, sondern auch Managerin!« Auf einmal gab es einen Tumult vor der offenen Probentür, in dem Tanya nur zwei Securityuniformen und dazwischen einen wedelnden, mit Leopardenmuster geschmückten Arm erkennen konnte. »Ich gehe da jetzt rein! Ich will zu meinem Mädchen!« Das hochrote Gesicht von Lillys Mutter tauchte auf, das außerdem noch mit einem schönen blauen Auge verziert war. »Ich muss sie sehen! Ich hatte einen Unfall!«
Einer der Securitymänner schaute sich Hilfe suchend um, während Pitter zielstrebig in die andere Ecke des Probensaales zum Nachpudern eilte.
Tanya warf einen Blick auf Lilly, die kreidebleich und völlig erstarrt mitten im Raum stand, und beschloss zu schlichten. »Frau Helm, Sie dürfen nicht mehr backstage.« Sie ging zur Tür hinüber. »Das hat Ihnen die Produktionsgesellschaft untersagt, das wissen Sie doch!«
Das Knäuel aus Sicherheitsuniform und Leopardenmantel entwirrte sich etwas.
»Frau Beck? Ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen!«, kreischte es.
Tanya nickte den Securityguards zu, und sie ließen mit einem Ausdruck der Erleichterung Lillys Mutter los, die nun völlig aufgelöst vor Tanya stand. Mit einer albernen Grandezza-Geste strich sie sich die zerwühlten Haare aus dem Gesicht und versuchte königinnenhaft in Tanyas Augen zu blicken. »Frau Beck! Ich möchte nur ganz kurz meine Tochter sehen. Ich muss ihr etwas Wichtiges sagen!«
»Rufen Sie sie an«, gab Tanya kühl zurück. »Machen Sie es uns und sich doch nicht so schwer.«
»Sie hat immer ihr Handy aus!«
Roberta Helm drängte sich an Tanya vorbei und lief zu Lilly. »Du hast es immer aus, mein Schatz!«
Tanya stellte sich schützend neben Lilly, die bis jetzt noch keinen Ton von sich gegeben hatte. »Also gut, sagen Sie, was Sie müssen, und dann gehen Sie bitte!«
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Mephisto das Ganze mit dem Handy filmte. Auch der Produktionskameramann hatte die Kamera im Anschlag. Tanya winkte ihm ab – das hier wollte sie in keinem Boulevardmagazin sehen, obwohl sie hier gerade die Gute im Bild war.
»Also gut!« Lillys Mutter nahm den Kopf ihrer widerstrebenden Tochter in die Hände und schaute ihr eindringlich in die Augen. »Ich wollte dir nur sagen, mein Schatz – dass du gut bist, besser als alle anderen hier! Du wirst diese Show gewinnen, und das weißt du, mein Schatz, das weißt du doch!« Auf einmal hatte ihre Stimme einen ganz zärtlichen Klang, fast bettelnd. »Du bist die Beste, mein Engel, du bist die Beste, und ich wollte dir nur ein bisschen Motivation bringen! Nur ein bisschen Motivation! Das ist alles!«
Lilly sah zu ihrer Mutter hoch und Tränen liefen ihr plötzlich über ihr hübsches Gesicht. »Lass gut sein, Mama. Lass gut sein. Geh jetzt nach Hause. Ich komme später nach.«
»Das reicht jetzt!« Tanya musste streng werden. »Es geht hier offensichtlich nicht um einen Unfall, es sei denn, Sie betrachten sich als Unfall!«
Lillys Mutter schien langsam zu sich zu kommen. Wie ferngesteuert lief sie auf Tanya zu. »Sind Sie kein Mensch, Frau Beck?«, murmelte sie zwischen ihren kirschrosa geschminkten Lippen und starrte sie mit ihrem verbeulten Gesicht an. »Sind Sie kein Mensch? Sind Sie so
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