Mörder Quote
ihr wieder mal voraus? War sie schon beim Thema Beziehung und wie sie gelingen könnte?
Auf jeden Fall hatte ihr Begleiter erst einmal eine Antwort auf seine Frage verdient. Sie seufzte: »Es gehört dazu. Es gibt diesen Beruf nicht ohne die Aufgabe der öffentlichen Anonymität. Man kann kein Star sein und dann auf der Straße nicht erkannt werden wollen, das wäre paradox. Aber manchmal wünsche ich mir natürlich, bei Chanel gäbe es auch Tarnkappen.« So – der Begleiter hatte sogar eine sehr ehrliche Antwort bekommen. Denn das mit dem Unsichtbarkeitswunsch gestand sich Tanya sogar selber selten ein, geschweige denn erzählte sie es anderen Menschen.
»Aber wann hast du denn die Entscheidung getroffen, Star zu werden?«, konterte Nils. »Warst du da nicht noch viel zu jung? Das sind doch typische Teenagerträume, die man hat, ohne dass daraus ein echter Beruf wird. Ich zum Beispiel wollte unbedingt Formel-1-Fahrer werden und was bin ich froh, dass ich heute nicht bei jedem Arbeitseinsatz mein Leben riskieren muss.«
Tanya fiel sofort wieder ihre erste Modenschau mit 13 ein, die billigen Katalogkleider, die stolze Mutter. All die Prinzessinnenträume junger Mädchen, die jetzt so brutal von den Model-Castingshows ausgebeutet wurden, genau der Industrie, die sie selbst zur Zeit so müde machte. Der hübsche Kerl an ihrer Seite hatte nicht nur ehrliche Antworten verdient, sondern er stellte auch, das musste sie zugeben, sehr schlaue und richtige Fragen.
»Aber Risiko muss ja nichts Schlechtes sein, oder?«, sagte sie und küsste ihn zum ersten Mal im hellen Tageslicht in einem gut besuchten Park in aller Öffentlichkeit.
Das schwarze Brett im Studio quoll am Montagmorgen über vor Presseberichten. Sascha las wie immer jeden einzelnen Artikel – nicht wie andere Kandidaten nur die, in denen sie erwähnt wurden –, und dieses Mal dauerte das fast eine ganze Stunde. Xenas Tod hatte es wirklich auf fast jede Titelseite Deutschlands gebracht – von seriös bis extrem bunt. »Castingshow-Kandidatin erleidet tödlichen Motorradunfall«, war die konservativste Formulierung, während die Boulevardpresse die provokativsten Bilder von Xena genüsslich mit Bildern vom Unfallort samt zerbeultem Motorrad kombinierte. Der schuldlose Lastwagenfahrer, in den Xena mit 90 Kilometern hineingedonnert war, während er gerade im Parkhaus den Supermarkt des Einkaufscenters beliefern wollte, stand immer noch unter Schock und hatte nur berichtet, dass das Motorrad viel zu schnell und scheinbar außer Kontrolle von der Rampe des Parkhauses auf ihn zugeflogen war. Selbst wenn er noch die Zeit gehabt hätte zu reagieren, er hätte wegen der Betonbrüstung nicht ausweichen können. So konnte er nur mit ansehen, wie »ein schwarz gekleidetes Mädchen ohne Helm« direkt auf seiner Windschutzscheibe aufschlug, die wie durch ein Wunder nicht zersplittert war. Auch dass der Mann überlebt hatte, war ein Wunder. Und nein, er hatte die berühmte Castingshow-Kandidatin nicht im Flug erkannt …
Die nächsten Zeilen gehörten natürlich immer Marco Deutz, der wohl den ganzen Sonntag nichts anderes getan hatte, als Interviews zu geben. Xena sei ein »Ausnahmetalent« gewesen, eine »ganz besondere künstlerische Persönlichkeit« und natürlich eine »potenzielle Gewinnerin dieser Staffel« – von seinen Fledermausbeschimpfungen war nichts mehr übrig geblieben, dachte Sascha bitter, vor allem vermutlich deswegen nicht, weil alle Kandidaten während der Laufzeit der Show automatisch bei Marcos Label »Big Ego« unter Vertrag waren.
Es würde sicher nicht lange dauern, bis einer der Coversongs von Xena aus den bisherigen Sendungen als Single die Charts raufklettern und Marcos Konto füllen würde. Sascha hoffte nur, es würde nicht »Girls just wanna have fun« werden.
Xenas echter Name war übrigens Heike Dehlen gewesen. Ganz klein tauchte er ab und zu unter den Fotos von ihrer wirklichen Familie auf – einer freundlich aussehenden Großfamilie in Emden, zu der Heike vor Jahren den Kontakt abgebrochen hatte.
»Sie verließ schon mit 15 die Schule, ging dann nach Berlin, und wir haben nie mehr was von ihr gehört«, wurde ihr Vater zitiert. »Bis wir sie in der Sendung wiedersahen. Aber das war nicht mehr unsere Heike.«
Ein Foto machte Sascha richtig traurig – es zeigte die kleine Heike Dehlen mit sechs Jahren bei der Einschulung. Ein pausbäckiges fröhliches Mädchen mit einem Topfschnitt. Keine Gothic-Princess, sondern eher eine
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